Je näher die Fertigstellung des neuen Harras rückte, umso kritischer äußerte sich mancher Leser über das Sendlinger Juwel. Als „Denkmal der Fehplanung” bezeichnete Dietmar Malich den Platz, als „saudumme Geräuschkulisse” Alois Sepp ; Georg Pfeiffer hält u.a. die langen Bänke für „misslungen und untauglich”.
Warum er solche Wertungen für ungerechtfertigt hält (und den einen oder anderen Kritiker für einen „Quatschkopf”), erklärte Ernst Dill (stv. Vorsitzende des Bezirksausschusses Sendling) in einem Gespräch, zu dem er sich mit Johannes Beetz auf einer der „misslungenen” Bänke niederließ.
Hier, wo wir gerade in der Sonne sitzen, fuhren früher ständig Autos ...
Ernst Dill: Das gerät ganz schnell in Vergessenheit, das wissen nur noch die Älteren: Eine alte Sendlingerin versuchte immer, ihre Mutter oberiridisch zur Mittelplatte zu bringen, weil sie keine Treppen steigen konnte. Sie sagt: „Das war wie eine Hasenjagd!” Sie sei tausend Tode gestorben, bis sie ihre Mutter über die vielbefahrene Straße zum U-Bahn-Zugang in der Platzmitte gebracht hatte.
Am neuen Harras gibt es allerdings auch etliche Kritikpunkte.
Ernst Dill: Wovon reden wir? Über die Kritik bei Ihnen im Sendlinger Anzeiger, z.B. den Leserbrief „Nur noch saudumme Kulisse”, der den Brunnen betraf? Die Überschrift meines Beitrages dazu ist: „Der neue Harras: die Klugscheißer, die Besserwisser und die Ignoranten”. Das sind richtige Quatschköpfe, das stinkt mir einfach. Die fragen nicht, die motzen - zum Beispiel, warum der Brunnen noch hinter einer Sichtblende steckt. Man könnte einfach mal beim Bezirksausschuss nachfragen und würde erfahren, dass die Blende aufgebaut wurde, weil Frau Hingerl (die Baureferentin, Anm. d. Red.) den Brunnen am 21. Juni selbst enthüllen möchte.
Es ist wie immer: Wenn du etwas veränderst, finden es die einen 50 Prozent schön und die anderen 50 Prozent nicht. Der Harras wird nach meinem Empfinden aber überwiegend positiv beurteilt.
Es gab während der über zweijährigen Bauzeit kaum Beschwerden, wie sie bei einem Projekt dieser Größenordnung zu erwarten gewesen wären.
Ernst Dill: So ist es. Ich war immer wieder bei den Geschäftsleuten und habe nachgefragt: „Haltet ihr das aus?” Es bestand einhellige Begeisterung über das Management des KVR, den Harras bei voller Aufrechterhaltung sämtlicher Verkehrsbeziehungen umzubauen. Die Kritik, die wir jetzt haben, kommt von einer kleinen Minderheit. Das sind diese Quatschmänner - Pfeiffer, Zettl, Sepp, Malich. Ich habe mir den Bericht zur Bürgerbeteiligung herausgesucht, da gab es damals eine Anwesenheitsliste; und siehe da: Keiner dieser Namen taucht dort auf. Keiner von ihnen wollte damals einen oder zwei Samstage mitarbeiten, um für seine Vorstellungen, wie der Harras aussehen soll, zu werben.
Sie sprechen vom Planungsworkshop im April 2002, an dem sich über 200 Bürger beteiligten und fünf Umbauvarianten vorschlugen. Viele der damaligen Vorschläge wurden also umgesetzt?
Ernst Dill: Vieles davon findet sich tatsächlich jetzt auf dem Harras. Das Wichtigste, die neue Verkehrsführung, war ein nahezu einhelliger Wunsch des Bürgerworkshops. Damals hat man auch über die Pflasterung und die Bänke gesprochen. Die Quatschköpfe könnten ja auch mal fragen, was sich die Bürger damals dabei gedacht haben, anstatt sofort zu dieser entsetzlichen Wutbürgersprache zu greifen.
Man kann es immer noch nicht allen recht machen. Auch die hohe Verkehrsbelastung am Harras ist geblieben.
Ernst Dill: Der Harras bleibt eine Verkehrsdrehscheibe. Wer gerne in der Oberpfalz wohnen möchte, soll dorthin. Dort gibt es Plätze mit vielen Blümchen und man kann sich auch in den Wald hocken. Aber der Harras hier ist ein städtischer Platz! Mir haben Leute geschrieben: „Sie hatten uns doch einen Platz mit italienischem Flair versprochen!” Was gibt es auf einem italienischen Platz? Null Bäume, null Büsche. Das sind steinerne Monumente, die allerdings baulich geschickter gefasst sind und wo der Verkehr in der Regel ausgesperrt ist. Wir mussten hier die ursprüngliche Verkehrsbelastung aufrechterhalten.
Sie setzen sich im Bezirksausschuss für mehr Bürgerbeteiligung ein. Frustriert es Sie nicht, wenn selbst bei besonders intensiver Bürgerbeteiligung wie bei der Harras-Planung am Ende so viel Kritik steht?
Ernst Dill: Nein. Das entmutigt mich nicht, weil die Quatschköpfe in einer derart kleinen Minderheit sind, dass ich schon glaube, dass das Verfahren richtig und konsequent war. Der Harras ist ein Musterprojekt dafür, wie man Bürger frühzeitig einbindet. Seit 1995 wurde jeder Schritt in allerbreitester Öffentlichkeit diskutiert. Es gab den Bürgerworkshop; jeder einzelne Schritt stand auf der Tagesordnung des Bezirksausschusses. Da hätten sich die Klugscheißer beizeiten zu Wort melden können, sie hätten Einfluss auf die Harras-Planung nehmen können. Aber sie haben sich nicht gemeldet. Auch bei der Präsentation der Wettbewerbsergebnisse habe ich keinen von ihnen gesehen.
Was die Kritik im Detail betrifft: Bevor man sofort in das große Wutgeschrei ausbricht, könnte man fragen, welche Idee hinter der Platzgestaltung steckt. Hinter dem neuen Harras steckt die Idee eines großen, weitläufigen, freien, lichten Platzes.
Für Sie ist der Harras Münchens schönster Platz?
Ernst Dill: Nein (lacht). Für Sendling ist es ein Riesenfortschritt! Die Quatschköpfe hätten zum Beispiel fragen können - und sie tun das auch - warum der Brunnen nicht in der Platzmitte steht, so dass man um ihn herumsitzen kann. Es gibt eine Brunnenpsychologie, das ist wahrscheinlich auch für Sie neu, Herr Beetz. Die Brunnenleute sagen: „Wenn du zwischen dich und eine Lärmquelle (den Hauptverkehr auf der Plinganserstraße) eine solchen Brunnen stellst, dann übertönt zwar das Rauschen des Wassers den Verkehrslärm nicht, aber die optische Wahrnehmung des Brunnens lenkt dich vom Lärm ab. In der Mitte hätte der Brunnen nicht diesen Bezug zum Verkehr, den er hier hat.
Inzwischen sind wir fast eine halbe Stunde auf der langen Bank gesessen. Sie können es kaum noch ertragen, weil sie so untauglich und unbequem ist?
Ernst Dill: Nein, ich finde die Bänke wunderbar. Ich bin mit ihnen zufrieden, denn auch sie waren Teil des Wettbewerbs. Herr Malich oder wer auch immer hätte seinerzeit sagen können: „Nein, das wollen wir nicht”. Darüber hätte man diskutieren und Mehrheiten erobern können.
Irgendeine Leserbriefschreiberin bei Ihnen hat auch von einem schnuckeligen kleinen Plätzchen erzählt, das sie am Harras gerne hätte. Aber wenn Sie hier kleine Tischchen, kleine Stühlchen haben, fliegen die nach kürzester Zeit in der Gegend herum und du musst sie anketten. Das sieht hässlich aus.
Dagegen treffen sich hier auf den langen Bänken Familien und Kindercliquen. Das habe ich mehrfach beobachtet. Ich finde es wunderbar!