Veröffentlicht am 11.12.2025 17:29

Studie belegt hohes Armutsrisiko durch gestiegene Mietkosten

Immer mehr arme Menschen werden noch ärmer durch ihre Wohnkosten. Das ergibt eine Expertise des Paritätischen Gesamtverbandes zum zweiten Mal in Folge. Margit Berndl, Vorständin des Paritätischen in Bayern, warnt: „Wohnen ist zum Luxus geworden, und das nicht nur im teuren München. In ganz Bayern beobachten wir und unsere Mitglieder seit Jahren, wie sehr die soziale Schere in der Bevölkerung stetig auseinanderklafft, anstatt sich zu stabilisieren. Die Studie zeigt deutlich, wie sehr Wohnraumknappheit, ein unregulierter Mietmarkt und steigende Neubaukosten die gesamte Lage verschlimmern.”

22,3 Prozent gelten als arm

Deutschlandweit sind 5,4 Millionen mehr Menschen armutsgefährdet als nach konventionellen Berechnungen, die keine Wohnkosten, also Warmmiete und Strom, berücksichtigen. Statt 13 Millionen gelten demnach 18,4 Millionen Menschen in Deutschland als arm. Das sind 22,3 Prozent der Bevölkerung. Vor einem Jahr waren es noch 21,2 Prozent. Die Wohnarmutsquoten liegen dabei in allen Bundesländern deutlich über der konventionellen Armutsquote.

Wohnkosten steigen proportional stark

In Bayern sind mit fast 1,6 Millionen Menschen rund 11,8 % der Bevölkerung von konventioneller Armut betroffen. Doch die tatsächliche wohnkostenbereinigte Armut liegt höher: 18,1%, rund 2,4 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahr lässt sich eine deutliche Steigerung erkennen: 2024 lag die kostenbereinigte Armutsquote in Bayern bei 16,3 Prozent, konventionell berechnet bei 11,4%. „In der Gegenüberstellung beider Quotenveränderungen lässt sich zum einen ablesen, dass sich die Lage keineswegs verbessert hat und zum anderen, dass die tatsächlichen Wohnkosten proportional stark gestiegen sind”, erklärt Berndl.

Strukturelle Probleme

Überproportional von Wohnarmut betroffen sind dabei mit 31 Prozent junge Erwachsene bis 25 Jahren und ältere Menschen ab 65 Jahren mit 29 Prozent. 31 Prozent aller Paare mit drei oder mehr Kindern sind von Wohnarmut betroffen und bei Alleinerziehenden sind es vier von zehn Haushalten, also über 40%. Margit Berndl betont: „Im Ende sind es in erster Linie die Schwächsten in der Bevölkerung, die Gefahr laufen, noch ärmer zu werden. Im Mieterland Deutschland haben Menschen mit einem geringen Einkommen kaum Handlungsspielräume. Die hohen Kosten der Unterkunft sind dabei nicht das Ergebnis von individuellem Fehlverhalten, sondern Ausdruck struktureller Probleme auf dem Wohnungsmarkt.”

Die Lücken im Schutz schließen

Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht sich daher in seiner Studie für eine langfristig angelegte und sozial orientierte Wohnungspolitik aus. Dazu gehören verstärkte Investitionen in die Objektförderung, die Stärkung der neuen Wohngemeinnützigkeit sowie eine gezielte Förderung des genossenschaftlichen und sozialen Wohnungsbaus. Ebenso notwendig ist ein zielgerichtetes Mietrecht, das die Einhaltung bestehender Regelungen sicherstellt und Schutzlücken wirksam schließt. Hierzu zählt insbesondere eine Verschärfung der Regelungen gegen überhöhte Mieten und Mietwucher sowie die rechtliche Möglichkeit, in angespannten Wohnungsmärkten einen Mietendeckel einzuführen. Berndl sagt: „Anders als die Bundesregierung fordern wir als Verband, die bestehenden Lücken nicht nur für Bürgergeld-Beziehende zu adressieren, sondern rechtliche und strukturelle Lösungen für alle Menschen zu suchen.”


Expertise im Auftrag des Paritätischen

Die Expertise basiert auf einer Sonderauswertung im Auftrag des Paritätischen, die auf Daten des Statistischen Bundesamtes basiert. Bei der Berechnung der Armutsquoten werden alle Personen gezählt, die in Haushalten leben und deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte beträgt. Anders als bei der konventionellen Armutsberechnung werden bei der Wohnarmutsberechnung bei der Ermittlung des Medians die Wohnkosten abgezogen.
Die vollständigen Ergebnisse der Studie können bei der Paritätischen Forschungsstelle unter forschung@paritaet.org angefordert werden.

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