Veröffentlicht am 24.12.2025 08:49

Bücher helfen, Dinge anzusprechen

„Mein erstes Fühl-Guckloch-Buch” mit deutlichen Fühlspuren im Bücherschrank in der Isarvorstadt. (Foto: job)
„Mein erstes Fühl-Guckloch-Buch” mit deutlichen Fühlspuren im Bücherschrank in der Isarvorstadt. (Foto: job)
„Mein erstes Fühl-Guckloch-Buch” mit deutlichen Fühlspuren im Bücherschrank in der Isarvorstadt. (Foto: job)
„Mein erstes Fühl-Guckloch-Buch” mit deutlichen Fühlspuren im Bücherschrank in der Isarvorstadt. (Foto: job)
„Mein erstes Fühl-Guckloch-Buch” mit deutlichen Fühlspuren im Bücherschrank in der Isarvorstadt. (Foto: job)

Gut 7.000 Sprachen werden derzeit von Menschen auf diesem Planeten gesprochen (etwa die Hälfte davon dürfte in den nächsten 100 Jahren aussterben, 150 davon sind europäische Sprachen). „Jede Sprache ist eine Art, die Welt zu verstehen und zu interpretieren”, meint der US-amerikanische Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Das stimmt: Wer Dinge bezeichnen kann, findet sich in seiner Welt zurecht, kann sie (und seinen Platz in ihr) begreifen und gestalten. Wer sogar Gefühle und Befindlichkeiten benennen kann, kommt in die Lage, sie anderen mitzuteilen - und sie bei anderen wahrzunehmen. Erst dann ist an ein Miteinander zu denken, erst dann öffnen sich Wege, auch Konflikte zu lösen.

Wörterbuch

Daher sind die vielen „Mein erstes ...”-Bücher womöglich die am sträflichsten unterschätzten Kulturgüter - und echte Weltliteratur. Denn sie tun genau das, was Werke wie Cervantes Don Quijote, Kafkas Verwandlung, Goethes Faust und Homers Odyssee tun wollen: menschliche Erfahrungen über Kulturen hinweg widerspiegeln, Verständnis und Empathie fördern, den Horizont erweitern.
Dazu braucht „Mein erstes Fühl-Guckloch-Buch” lediglich bunte Illustrationen und Hauptwörter (mit Artikel). Es begleitet Kleinkinder beim Sprechenlernen, indem es Dinge aus deren Alltag abbildet: die Erdbeere, der Hase, die Blume, die Zahnbürste, der Schlafanzug. Über manche Bilder kann man drüberstreicheln und begreift so nicht nur, dass ein Hase ein Hase ist, sondern bekommt auch einen Eindruck davon, wie er ist und wie kuschelig sich sein Fell anfühlt.

Menschendinge

Das sind erste Schritte in eine Welt, in der man auch lernen wird, was Angst und Liebe, Trauer und Freude, Einsamkeit und Begeisterung sind - und wie sie sich anfühlen. Nicht über alles werden die später Großen sprechen wollen („Was in des Busens stillem Reich geschehn, Und Gott nicht straft, das braucht kein Mensch zu wissen”, findet das Käthchen von Heilbronn); wenn sie es jedoch tun, wird sich manches für sie leichter anfühlen. Das wusste (eben Weltliteratur!) auch Shakespeare, der den Königssohn Malcolm in „Macbeth” raten lässt: „Gib dem Kummer Worte; der Kummer, der nicht spricht, lässt (das gequälte Herz) brechen.” Oder wie Simon & Garfunkel in „The Sound of Silence” warnen: „Silence like a cancer grows.” Wer indes negative Gefühle in Worte fassen kann, beruhigt sich schneller. Das weiß die Wissenschaft. Und wer Freude (mit)teilen kann, verdoppelt sie. Das wissen alle.

Bücher helfen, Dinge anzusprechen.

Die anderen drei

Wir stellen vier Bücher vor, die wir im Bücherschrank in der Isarvorstadt gefunden haben. Das sind die anderen drei aus unserem Quartett:

  • Ja und Nein:
    Herbert Fensterheim / Jean Baer: „Sag nicht Ja, wenn du Nein sagen willst”. Die Autoren versprechen Methoden, wie man sich in Gesellschaft, Familie und Partnerschaft durchsetzt. Eine „Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden” seitens ihrer Leser schließen sie vorsorglich lieber mal aus.
  • Max und Moritz:
    Wilhelm Busch: „Album”. Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen! Wie zum Beispiel hier von diesen, welche Max und Moritz hießen: ein Weihnachtsgeschenk aus dem Jahre 1959.
  • Er und ich:
    Benoite Groult: „Salz auf unserer Haut”. Eine erst umstrittene, dann gebestsellerte Liebes- und Lebensgeschichte mit ungewöhnlicher Konstellation: Was unüberbrückbar erscheint, wird zur einzigen Konstante im Leben zweier Menschen.

Wo steht er?

Der Bücherschrank Isarvorstadt steht an der Kreuzung von Dreimühlen- und Ehrengutstraße.

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