Interview mit Robert Reisinger, Abteilungsleiter Fußball im TSV München von 1860 e.V.

„Bin mittlerweile guter Dinge“

TSV 1860-Fußballabteilungsleiter Robert Reisinger. Foto: A. Wild

TSV 1860-Fußballabteilungsleiter Robert Reisinger. Foto: A. Wild

München · Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit dem Fußballabteilungsleiter des TSV München von 1860 e.V., Robert Reisinger, über die Junglöwen und die bevorstehende Abteilungsversammlung.

Herr Reisinger, am 20. März findet die turnusmäßige Versammlung ihrer Fußballabteilung mit Wahl des Abteilungsvorstands und der Delegierten statt. Sie stellen sich zur Wiederwahl?

Ja. Zusammen mit meinem Team.

Gibt es denn einen Gegenkandidaten?

Mir ist keiner bekannt. Die Frist zur Abgabe einer Kandidatur ist auch abgelaufen.

Wie waren die vergangenen drei Jahre?

Ich habe meine ehrenamtliche Arbeit als Abteilungsleiter immer gerne gemacht, auch wenn ich manchmal am Verzweifeln war (lacht).

Wo lagen die größten Schwierigkeiten?

Können Sie sich das nicht vorstellen? Die Unsicherheit über den Fortbestand der Profifußballtochter – die KGaA – war natürlich in der Jugendfußballabteilung spürbar. Wir hatten es in der Folge mit ständig wechselnden Gremien und Verantwortungsträgern im Verein und in der KGaA zu tun. Darunter hat auch die Kommunikation und Abstimmung gelitten.

Haben Sie auch Positives zu berichten?

Sicher. Schauen Sie sich die sportlichen Ergebnisse bei den Junglöwen an. Da haben alle Verantwortlichen sehr gute Arbeit geleistet. Das ist aller Ehren wert. Wir sind gleichauf oder besser gestellt mit Vereinen, die deutlich mehr Geld in die Ausbildung investieren. Darauf bin ich stolz.

Ist das Ihr Verdienst?

Seltsame Frage. Wenn die Kinder an einer Schule bei Tests hervorragend abschneiden, ist das dann das Verdienst des Rektors? Es ist zunächst der Erfolg der Schüler und dann der der Lehrer. Wir sorgen als Abteilungsleitung dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen, unter denen Leistung erbracht werden kann.

Die Rahmenbedingungen sollen sich verändern, wie man hört. Von massiven Einsparungen ist die Rede.

Das ist noch nicht ganz raus, wie stark uns das im e.V. trifft. Dass die Kürzungen in der KGaA nicht völlig spurlos an uns vorüberziehen werden, davon können Sie ausgehen. Aber ich bin mittlerweile guter Dinge, dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen.

Wie bewerten Sie den Wechsel von Jürgen Jung zum FC Bayern?

Ich schätze Jürgen Jung fachlich und menschlich sehr. Dass er ausgerechnet zum FC Bayern gewechselt ist, schmerzt mich. Das gebe ich zu. Glücklicherweise wurde mit Wolfgang Schellenberg rasch ein überaus kompetenter Mann als Nachfolger gefunden. Schellenberg steht Jung qualitativ in nichts nach. Eine sehr gute Wahl. Da entsteht keine Lücke.

Was waren die Gründe für Jungs plötzlichen Wechsel?

Das müssen Sie ihn selbst fragen, darüber könnte ich nur spekulieren.

Dann spekulieren Sie doch mal.

Ist nicht meine Art. Wir haben vorhin von veränderten Rahmenbedingungen gesprochen. Ich denke, da können Sie sich die Antwort selbst geben.

Der jetzige Vizepräsident des TSV 1860, Wolfgang Hauner, war Ihr Vorgänger als Leiter der Fußballabteilung. Hauner ist mit dem Wechsel des damaligen Ausbildungsleiters Ernst Tanner nach Hoffenheim mit einer Aufsehen erregenden Generalabrechnung zurückgetreten und Sie wurden von der Versammlung gewählt. Jetzt ist zum Ende Ihrer ersten Amtszeit Tanners Nachfolger Jung zum FC Bayern gewechselt. Eine seltsame Duplizität der Ereignisse.

Das stimmt. Hab ich so noch gar nicht gesehen (lacht).

Wolfgang Hauner ist mittlerweile als Vizepräsident wieder in den Verein zurückgekehrt. Hat Sie das überrascht?

Nein. Hauner hängt am TSV 1860. Der Verein ist Teil seines Lebens. Ein Löwe ist manchmal zornig und enttäuscht, aber er kann doch nie ganz von seiner Liebe lassen. Wenn Leute, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Ärger geschieden sind, wieder zurückkehren, wirkt das von außen betrachtet natürlich immer ein wenig wie Phönix aus der Asche. Aber das ist halt 1860. Das lässt dich nie los.

Hauner muss als für die Finanzen zuständiger Vizepräsident den geplanten Sparkurs mit umsetzen.

Richtig. Ich kann mich noch gut an seine Abschiedsworte als Abteilungsleiter erinnern, als er das damalige Präsidium und die Geschäftsführung auf der Versammlung für einen seinerzeit bereits geplanten Anteilsverkauf an der KGaA geißelte und vermutete Etatkürzungen im Jugendbereich hart kritisierte. Aus seiner damaligen Warte verständlich. Heute ist der Anteilsverkauf in einer vor drei Jahren nie für möglich gehaltenen Größenordnung Realität geworden und Kürzungen im Nachwuchsbereich stehen ins Haus. Dass ausgerechnet Hauner in seinem neuen Amt gezwungen ist sie umzusetzen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Er hat damals getan, was er als Abteilungsleiter tun musste und er tut jetzt, was er als für Finanzen zuständiger Vizepräsident tun muss. Ich habe dafür Verständnis. So sind nun mal die Rollen.

Halten Sie jetzt auch mit einer Brandrede dagegen?

Das ist Quatsch. Ich bin Realist und weiß um unsere Möglichkeiten. Hauner hat in dieser Frage meine volle Solidarität. Über das Wie sind wir uns nicht immer einig, aber letztlich haben alle im e.V. das gleiche Ziel: einen starken, gesunden und selbstbewussten Verein, der in verschiedenen Sparten attraktiven Sport anbietet. Ich will meinen Teil dazu beitragen.

Wie muss man sich die Arbeit eines ehrenamtlichen Abteilungsleiters Fußball beim TSV 1860 vorstellen?

Zunächst mal möchte ich festhalten, dass ich das nicht alleine mache. Die Abteilungsleitung besteht aus drei Personen. Thomas Probst führt die Kasse der Abteilung, die mit rund 17.000 Mitgliedern keine kleine ist. Eine diffizile Aufgabe, die Sorgfalt und Geschick erfordert. Noch dazu bei einem Verein, der finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Der Vize-Abteilungsleiter und ich kümmern uns um organisatorische Abläufe. Als ich vor drei Jahren um meine Kandidatur gebeten wurde, war mein Respekt vor dem unbekannten Amt groß. Immerhin sollte ich Nachfolger eines Mannes werden, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine 15-jährige Funktionärstätigkeit auf dem Buckel hatte. Ich habe also im Vorfeld Ernst Tanner gefragt, was denn in seinen Augen ein idealer Abteilungsleiter leistet. Die Antwort von Ernst war: „Ein idealer Abteilungsleiter ist einer, der mir bei der Arbeit nicht im Weg umgeht.“ Die Ironie in den Worten Tanners hat einen wahren Kern. Qualifizierte Leute in ihrer beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit für die Fußballabteilung unterstützen und fördern – das ist mein Leitmotiv. Ich muss den Leuten hier nicht groß erzählen, wie eine leistungsorientierte Ausbildung im Nachwuchs auszusehen hat. Ich muss dafür Sorge tragen, dass wir Trainer, Ausbilder und Betreuer haben, die fachlich und menschlich für diese Aufgabe qualifiziert sind und dass die erforderlichen Mittel dafür bereitstehen. Erfolgreiche Arbeit in dem Umfang, wie sie bei 1860 geleistet wird, hat nie nur einen Vater. Weder in der Vergangenheit noch heute. Das ist immer ein Kollektivprozess.

Wurde die Arbeit durch die finanziellen Turbulenzen in den vergangenen Jahren erschwert?

Die finanzielle Seite war nicht einfach, klar. Unsere Mitarbeiter im Verein haben davon unbeeindruckt hart weitergearbeitet. Dafür bin ich ihnen dankbar. Der sportliche Bereich hat dadurch glücklicherweise nur indirekt gelitten.

Was heißt indirekt?

Dass wir unsere wesentlichen sportlichen Ziele trotz der Schwierigkeiten erreicht haben, aber natürlich wegen der zeitweilig unklaren Zukunftsperspektive nicht jeden Wunschspieler bekommen konnten. Die Talentverpflichtung ist schwieriger, wenn Sie nicht wissen, wie es mit dem Verein weitergeht. Aber diese Hängepartie ist jetzt zum Glück vorbei.

Hätten Sie persönlich eigentlich eine Insolvenz der KGaA dem Verkauf vorgezogen? Stichwort „Neuanfang in der Bayernliga“. Man war immerhin kurz davor.

Nein. Unabhängig davon, dass ich das ohnehin nicht zu entscheiden hatte. Ich bin kein Katastrophenromantiker und weit davon entfernt, mir die schiere Not schön blau zu malen. Das Wagnis Insolvenz wäre auch mir zu groß gewesen. Den Verein hätte das zu diesem Zeitpunkt völlig unvorbereitet getroffen und ein Kollaps hätte gedroht. Ich kann jeden emotional verstehen, der damals eine geregelte Insolvenz für den aufrichtigeren und geraderen Weg gehalten hat. Aber rein praktisch wäre nach meinem Kenntnisstand eine Insolvenz mit höchsten Risiken für den e.V. behaftet gewesen. Ich war am Ende froh über den Erhalt der KGaA.

Einige Experten prophezeien den Juniorenmannschaften des TSV 1860 eine schwere Zukunft. Sprechen davon, 1860 würde künftig weit hinter Bayern, Nürnberg und Augsburg rangieren – allenfalls noch mit Unterhaching, Greuther Fürth und Ingolstadt mithalten können, aber auch das nur noch mittelfristig.

Bitte? Was sind das für angebliche Experten?

Leute die für sich in Anspruch nehmen etwas vom Jugendfußball in Bayern zu verstehen.

Und die kennen sich bei allen bayerischen Klubs quer durch alle Jahrgänge so gut aus, dass sie das beurteilen können? Donnerwetter. Zukunftsprognosen sind bei Kindern und Jugendlichen immer relativ. Manch hoch gehandeltes Talent fällt in einem Jahr in ein Leistungsloch, bislang stille Mitläufer dagegen explodieren plötzlich. Wer hier weit reichende Prognosen und Urteile abgibt, zeigt höchstens, dass er von der Materie wenig versteht. Da scheint mir der heimliche Wunsch der Vater des Gedanken zu sein. Wissen Sie, wie oft ich solche selbsternannten Experten und – entschuldigen Sie – Schwätzer schon gehört hab? Als uns vor drei Jahren Ernst Tanner verließ, hieß es, jetzt sind die erfolgreichen Junglöwen am Ende – da kommt nichts mehr nach. Untergang. Das Gegenteil war der Fall, Jürgen Jung hat die Arbeit nahtlos fortgeführt und in Teilbereichen sogar verbessert. Unseren U19-Junioren haben einige vermeintliche Kenner vergangene Saison den prompten Abstieg aus der A-Junioren-Bundesliga vorhergesagt – stattdessen stand die Mannschaft im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Unsere U17-Junioren spielen in diesem Jahr in der B-Junioren-Bundesliga vorne mit. Für die kommende Saison wird dann zur Abwechslung mal wieder der Untergang prophezeit. Jürgen Jung ist bei 1860 Geschichte – ab sofort führen Wolfgang Schellenberg und Roy Matthes mit ihrem Stab die Ausbildung bei den Junglöwen. Und glauben Sie mir, die machen das genau so gut, wenn nicht sogar besser. 1860 bleibt was es war, eine Top-Adresse für hochbegabte Nachwuchsspieler. Da muss sich niemand Sorgen machen.

Ihre Abteilungsversammlung findet kommenden Dienstag um 18:30 Uhr in Planegg statt. Funktionäre der Fanorganisation ARGE haben den Termin kritisiert, weil ihre Mitglieder unter der Woche keine Zeit hätten.

Ja, ich weiß. Da wird aber zuviel hineininterpretiert. Die Gründe für Ort und Termin sind ganz profaner Natur.

Welche?

Zu dem Zeitpunkt als wir die Versammlung planen mussten, waren die Spieltermine der Profis durch die DFL noch nicht veröffentlicht. Wir wollten vermeiden, dass unsere Versammlung mit einem Spieltag kollidiert. Damit fielen schon mal Freitag, Samstag, Sonntag, Montag aus. Wir fahren im Verein aktuell einen harten Sparkurs und hier ist der zweite Grund zu finden. Ich hätte es mir einfach machen können und an einem Wochenende ein Kongresscenter mit allen Serviceleistungen anmieten. Damit hätte ich persönlich am wenigsten Arbeit gehabt. Aber das wollte ich nicht.

Warum nicht?

Die Abteilungsversammlung in Unterschleißheim, auf der ich erstmals gewählt wurde, hat den Verein damals satte 20.000 Euro gekostet. Ich hab mir geschworen, dass so was unter mir nicht mehr stattfindet. Mein Kassier teilt diese Ansicht. Ich kann nicht Mitarbeiter entlassen, Fahrtgeldzuschüsse kürzen und gleichzeitig für meine Abteilungsversammlung einen Prunksaal zum Hochtarif anmieten, nur weil das einigen Kritikern persönlich bequem und angemessen erscheint. Deshalb treffen wir uns unter der Woche in einem bayerischen Wirtshaus. So wie es unseren finanziellen Möglichkeiten entspricht. Das kostet die Abteilung ein Zehntel. Selbst der große Nachbar von der Säbener Straße hält übrigens seine Jahreshauptversammlungen unter der Woche ab. Dann wird das uns auch zuzumuten sein.

Interview: Alfons Seeler

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Artikel vom 14.03.2012
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