Stolpersteine abgelehnt

München · Stadtrat beschließt »neue Formen des Gedenkens«

München · Der andauernde Streit um die Stolpersteine in München ist beendet. Der Stadtrat hat am Mittwoch entschieden, wie in München im öffentlichen Raum den Opfern des NS-Terrorregimes gedacht werden soll.

Eine Mehrheit des Stadtrats sprach sich dabei für die Anbringung von Erinnerungstafeln an den früheren Wohnhäusern der Ermordeten aus. Falls das im Einzelfall nicht möglich ist, sollten die Erinnerungstafeln an Stelen auf öffentlichem Grund vor dem jeweiligen Gebäude platziert werden. Für die Gestaltung dieser dezentralen Gedenkorte werde ein Wettbewerb ausgelobt. Die Initiative und die ersten Recherchen dazu sollen aus der Stadtgesellschaft oder von Angehörigen kommen. »Klar ist aber auch: Wenn Angehörige keine Erinnerungstafel an Hausmauern oder einer Stele wünschen, wird das akzeptiert«, lässt die SPD-Fraktion mitteilen. Über dieses individuelle Gedenken hinaus ist außerdem die Errichtung eines zentralen Denkmals mit den Namen aller Münchner Opfer geplant. Dieses soll am sogenannten »Ehrentempel« nahe des NS-Dokumentationszentrums in der Maxvorstadt entstehen.

Ein Historiker solle mit den Recherchen betraut werden, damit man allen Opfergruppen gerecht wird. Stolpersteine, die in anderen Städten als Form des Gedenkens existieren, soll es nach dem Willen der Stadtratsmehrheit in München auch in Zukunft auf öffentlichem Grund nicht geben. »Wir haben uns die heutige Entscheidung alles andere als leicht gemacht und sehr viel darüber diskutiert«, erklärte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. »Drei Argumente lassen mich jedoch sicher sein, dass wir den richtigen Weg einschlagen: Erstens haben wir mit den Erinnerungstafeln, den Stelen und dem Namensdenkmal eine sehr würdige Form des Gedenkens gefunden. Zweitens war und ist es für uns nicht denkbar, eine Gedenkform in München zu etablieren, die von der Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern als Repräsentanz der mit Abstand größten Opfergruppe abgelehnt wird. Und drittens war uns einfach wichtig, zu einer Lösung zu finden, die von einer breiten Mehrheit im Stadtrat mitgetragen werden kann. Das Thema eignet sich nicht für politische Profilierungen. München hat die Verpflichtung, sich mit dem dunkelsten Kapitel seiner Geschichte auseinanderzusetzen.« Der Vorsitzende der CSU-Fraktion, Stadtrat Hans Podiuk betont: »Wir haben heute eine salomonische Lösung zum Gedenken an die NS-Opfer beschlossen.

Das individuelle Gedenken ist genauso möglich, wie das zentrale Gedenken an einer noch zu schaffenden Gedenkstätte. Damit werden wir unserer Verantwortung gegenüber den Opfern und unserer Geschichte gerecht.« Stadtrat Marian Offman (CSU) ging als Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in die Abstimmung. Die IKG hat sich seit Beginn der Debatte gegen die Stolpersteine ausgesprochen, weil die Opfer der NS-Diktatur auf diese Weise mit Füßen getreten würden – ein zweites Mal nach dem Martyrium, das sie durchleiden mussten, als die willfährigen Schergen der Nationalsozialisten die Juden in Deutschland verfolgt und mit Gewalt in die Konzentrationslager getrieben hatten. Offman nahm die Debatte auch auf emotionaler Ebene wahr: »Für mich war die heutige Beratung ein sehr bewegender Moment und ich bin allen Kolleginnen und Kollegen für den würdigen Rahmen sehr dankbar. Als Betroffener kann ich mir ein Gedenken an meine verlorenen Angehörigen in Form von Stolpersteinen nicht vorstellen. Das ist aber meine persönliche, individuelle Meinung.« Offman erklärte weiter, er respektiere jeden, der nach persönlicher Abwägung zu einer anderen Beurteilung komme. Entscheidend sei für ihn, »dass wir nach den langen inhaltlichen Auseinandersetzungen um die beste Form des Gedenkens den gefundenen Weg gemeinsam gehen.« Gleichzeitig sucht er den Dialog mit den Befürworter der Stolpersteine: »Es ist unsere Aufgabe, nun auf die Hinterbliebenen, die Stolpersteine wünschen, zuzugehen und mit ihnen eine versöhnliche Lösung zu suchen und umzusetzen.«

Artikel vom 02.08.2015
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