CSU-Stadtrat positioniert sich vor der Anhörung

Quaas: »Ich lehne die Stolpersteine auf öffentlichem Grund weiterhin ab«

München · Die »Stolpersteine« erhitzen nach wie vor die Gemüter. Am Freitag, 5. Dezember, findet im Rathaus eine Anhörung zu dem Thema statt. CSU-Stadtrat Richard Quaas, der die Stolpersteine auf öffentlichem Grund ablehnt, hat sich in einem Brief an die Medien noch vor der Anhörung geäußert:

Gedenktafeln erinnern an die Opfer des Nazi-Regimes
München gedenkt Opfern des Nazi-Terrors
Themenseite gegen das Vergessen

Mich haben in der letzten Woche eine Vielzahl von Zuschriften erreicht, die ganz überwiegend von Aktivisten der »Pro Stolpersteinen Community« stammen und mit mehr oder weniger prominenten Befürwortern geschmückt sind. Es gibt da durchaus sachliche Argumente, die man in einer Abwägung bei dieser schwierigen Materie gewichten muss. Allerdings gibt es auch Zuschriften darunter, die versuchen, eventuelle Gegner in eine moralisch zweifelhafte Ecke zu stellen, ja, ihnen den ernsthaften Umgang mit der Materie rundheraus abzusprechen.

Es bleibt der Eindruck, dass nur der Befürworter im Kreise der Guten und Gerechten zu finden ist, ja, dass die Deutungshoheit für den Umgang mit den Opfern des Nazi-Terrors und der Opfergeneration nur bei den Aktivisten für die Stolpersteine und ihren Sympathisanten zu finden ist.

Das ist auch eine ungerechtfertigte Vereinnahmung vieler Opfer, Überlebender, ihrer Angehören und auch von Menschen, die aufrecht seit längerem oder kurzem gegen Neonazis, braune Verharmloser und alte und neue Antisemiten und Israelhasser kämpfen.

Deshalb lasse ich mir die Lauterkeit meiner Meinung, die ich mir unter gründlicher Einbeziehung von Für und Wider gebildet habe, nicht von solchen Propagandisten eines geschäftstüchtigen Künstlers und seiner fraglos diskussionswürdigen Idee, absprechen!

Ich habe heute (4. Dezember) schon vorab deshalb meine Meinung kurz zusammengefasst: Ich stehe einer Verlegung von Stolpersteinen in München nach wie vor kritisch gegenüber, sehe aber das Hearing als eine Gelegenheit die Meinungen darüber sachlich und ohne hysterische Untertöne, wie das in der letzten Zeit leider vielfach zu hören und lesen war, auszutauschen. Kritisch sehe ich auch die vielfachen Versuche von Stolperstein-Befürwortern, direkt auf eine evtl. noch folgende erneute Beschlussfassung im Stadtrat Einfluss zu nehmen und dazu Kolleginnen und Kollegen moralisch in die »Zwickmühle« zu nehmen.

Der Stadtrat hat in München vor vielen Jahren beschlossen, auf öffentlichem Grund einer Verlegung der Stolpersteine nicht zuzustimmen. Wesentlich dafür war und ist die Stellungnahme der Präsidentin der IKG (Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die Red.), die das rundheraus ablehnt, weil sie diese Steine, des Künstlers Demnig, als ein ungeeignetes Mittel des Gedenkens an Oper des NS-Regimes und des Holocaust ablehnt. Frau Knobloch, als herausragende Vertreterin der Opfergeneration, argumentiert, meiner Meinung nach völlig zu Recht, dass bei solchen »Bodendenkmälern« die ermordeten Opfer des Nazi-Terrors, nochmals und zwar vielfach, mit Füßen getreten werden. Würde sieht anders aus!

Gerade viele Aktivisten, die die Verlegung von Stolpersteinen aktiv vertreten, haben in anderen Fällen solche Bodengedenkplatten abgelehnt, sei es bei Kurt Eisner, für den, weil die Bodenplatte in der Prannerstraße am Tatort für unwürdig empfunden wurde, dann ein neues Denkmal am Oberanger errichtet wurde, sei es bei anderen Entwürfen für Gedenkorte, wo allesamt das Gedenken am Boden verworfen wurde. Aber für die Opfer des größten Massenmordes in der Geschichte der Zivilisation, soll das dann ein angemessenes Gedenken sein?

Auch gibt es weitere Dinge zu hinterfragen! Wie der taz – vollkommen unverdächtig bei dem Thema – vor ein paar Wochen zu entnehmen war, verlegt der »Künstler«, der alleine die Verwertungsrechte an den Stolpersteinen hat und sie pro Stück mit 120 Euro in Rechnung stellt, auch Steine, ohne mit Angehörigen der Opfer überhaupt Rücksprache zu halten, versieht sie mit Inschriften, die die Nachkommen, als sehr verletzend und unwürdig empfinden, weil Nazi-Jargon aus den NS-Gerichtsakten übernommen wird, wie Volksschädling, Rassenschande, Gewohnheitsverbrecherin usw. Allein hier zeigt sich, dass weniger auf Gedenken und Gefühle Rücksicht genommen wird, als offensichtliche Effekte und letztlich auf Provokation aus ist, von wem auch immer.

Auch die Art und Weise der Finanzierung ist nicht so, dass sie nicht hinterfragt werden könnte. Oftmals fühlen sich die Angehörigen und Nachkommen der Opfer geradezu moralisch in der Pflicht, diese 120 Euro für den Stein aufzubringen, bzw. zu zahlen, obwohl sie eine Herstellung und Verlegung nicht initiiert haben, auch werden, wenn Angehörige dazu nicht bereit sind – oft eben auch aus guten Gründen – sogenannte Paten gesucht, die dann die Steine zahlen. Das könnte man auch als ein einträgliches Geschäftsmodell werten, auf Kosten von Hinterbliebenen und Idealisten. Was die Haltbarkeit der Metallplatten betrifft, gibt es auch große Fragezeichen. nach ein paar Jahren, je nach dem wo die Steine liegen und »belaufen« werden, werden die Platten unansehnlich, stumpf, unlesbar und abgewetzt. Ob das der Sinn eines solchen »Gedenksteins« sein kann, ich denke nein. Mein Votum, sollte es überhaupt neu dazu kommen, steht fest, ich lehne die Stolpersteine in München auf öffentlichem Grund weiterhin ab!

Richard Quaas
Stadtrat
80331 München

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Artikel vom 04.12.2014
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