Bauen, dann brauen

»Giesinger Bräu« nimmt immer mehr klare Konturen an

»Giesinger Bräu« zieht um: Ein gut gelaunter Brauerei-Chef Steffen Marx (links) beim Entladen eines Lkws an der Martin-Luther-Straße.	Fotos: Harald Hettich

»Giesinger Bräu« zieht um: Ein gut gelaunter Brauerei-Chef Steffen Marx (links) beim Entladen eines Lkws an der Martin-Luther-Straße. Fotos: Harald Hettich

Giesing · Steffen Marx steht in hohen Gummistiefeln auf einem der vielen Lkw, die an diesem Tag die Zufahrt zum Anwesen an der Martin-Luther-Straße 2 in Giesing säumen.

An diesem Montagmittag kündigt sich Großes an. Auf einem Gelände das früher den Münchner Stadtwerken als Umspannwerk diente, soll künftig ein neues Stück Brauer-Historie geschrieben werden. Und Steffen Marx, der Chef des kleinen Bierreiches, ist nicht nur an diesem Tag mitten drin im Geschehen. Riesige Kranarme greifen sich jetzt die vier neuen Lagertanks und die Braukessel, in denen der edle Gerstensaft der zweitgrößten Münchner Privatbrauerei »Giesinger Bräu« künftig gelagert werden soll.

Weitere Artikel zum Thema

Mit maschineller Power und der Manneskraft vieler Helfer werden die jeweils sechstausend Liter Fassungsvermögen bergenden Tanks jetzt vom Stapel der Lkw gelassen und auf das Grundstück gehievt. Durch eine riesige Maueröffnung sollen die Tanks schließlich Stück für Stück ins neue Sudhaus gelangen, eine der Herzkammern der neuen Brauerei. Überall Lärm und Getöse, das die Arbeiten begleitet. Doch Steffen Marx freut sich und grinst über beide Ohren. Der weite Weg seines Traums vom eigenen Bier in geeigneter Atmosphäre nimmt immer konkretere Formen an.

Im Oktober soll die neue Brauerei feierlich eröffnet werden. Ein von den Machern um Marx ersehnter Termin. Denn längst ist die bestehende Betriebsstätte in einem Hinterhof in der Birkenau für die ehrgeizigen Pläne zu klein geworden. Als Garagen-Brauerei hatte dort die Geschichte des Giesinger Bräu vor acht Jahren begonnen. Jetzt war der Umzug, der längst auch dem steigenden Erfolg der vollmundigen Biere geschuldet ist, überfällig geworden. Seit März diesen Jahres wurde das Gebäude kernsaniert, wurden Fundamente und Grundleitungen erneuert, Fensteröffnungen erweitert, neue Decken eingezogen, das Brandschutzkonzept aktuellen technischen Standards angepasst, Fenster und Türen eingebaut, Küche sowie das schmucke Braustüberl errichtet und Toiletten wie Sanitäranlagen eingebaut.

Steffen Marx nimmt sich jetzt eine kleine Pause und etwas Zeit, neben der Historie auch wichtige Details zur neuen Heimat seines kleinen Bier-Imperiums zu liefern. Dazu gibt´es ein vollmundiges Helles. »Das sind alles frische und unbehandelte Bierprodukte, die Hefe und natürliche Trübstoffe beinhalten, versichert Marx den klassischen Anspruch seines Hauses. Die eigentliche Idee, Brauer zu werden, war dem ehemaligen Zeitsoldaten aus Mecklenburg-Vorpommern, der seit 1998 in München lebt, passenderweise »in einer Bierlaune« gekommen. Im Hirschgarten hatte ihn ein Kumpel, selbst Brauer, entscheidend inspiriert. Schnell reifte nicht nur die Idee, sondern auch Gerste, Hopfen und Malz. Vier klassische Biersorten – Dunkel, Helles, Weizen und Märzen – sollten sich etablieren. Beim Start 2006 wurden noch bescheidende 200 Hektoliter pro Jahr gebraut. Fünf Jahre später waren es bereits 1.000, im letzten Jahr fast 2.000 Hektoliter.

Am neuen Standort auf dem Giesinger Berg denkt man in anderen Kategorien. »14.000, nach dem Endausbau sogar 16.000 Hektoliter sollen es werden«, verrät Steffen Marx stolz. Er hat auch wahrlich investiert. 3,2 Millionen Euro mussten nach seiner Hochrechnung für die neue Betriebsstätte gestemmt werden. Steffen Marx ist nicht nur in seiner Außendarstellung, sondern offensichtlich auch in seinem (Brauer-)Wesen ganz Optimist. »Ich hoffe schon und bin guten Mutes, dass sich die Investition hier auszahlt.« Der Grund für diesen Optimismus liege vor allem in der »zunehmenden Wertschätzung heimischer, authentischer Produkte.«

Diese Hoffnung lässt das Team seit den ersten Planungsphasen im März 2013 kräftig anpacken fürs neue Reich. »Das Raumangebot hat sich immerhin verzehnfacht«, erklärt der Brauer-Chef. Mussten in der Birkenau noch 80 Quadratmeter für Produktion und Versand genügen, sind es im neuen Domizil fast 800 Quadratmeter. Neben dem Sudhaus mit vier Tanks und einem Fassungsvermögen von rund 24.000 Litern Gerstensaftes nehmen allein die vorrangig im Keller beheimateten Kernbereiche von Gärung und Lagerung rund 300 Quadratmeter in Anspruch. Zwar setzt die immer noch kleine, aber zunehmend feine Brauerei auch am neuen Standort vor allem auf ihren Vertrieb – doch ein Herzstück des mit viel Lokalkolorit ausgeschmückten Giesinger Bräu wird auch das gemütliche Stüberl mit rund 80 Plätzen im ersten Stock des grundsanierten Bauwerks sein. Bayerische Küche und den Blick auf das Sudhaus, dazu eine Bierdusche für den geneigten Gast wird das Ensemble Giesinger Gemütlichkeit dann bieten.

Auf gute Nachbarschaft setzt »Giesinger Bräu« ebenfalls. »Bei einer Infoveranstaltung haben wir alle Anwohner eingeladen und mögliche Sorgen ausgeräumt, hier würde eine Großbrauerei einziehen«, so Marx. Das gereichte Bier sei gut angekommen. Offenbar auch beim direkten Nachbarn auf dem Gelände: Die »H+S Veranstaltungen GmbH« als Mitnutzer des Geländes hat nicht nur einige wichtige Räumlichkeiten an die »Giesinger Bräu« abgetreten. Sie tritt auch als Gesellschafter auf. Harmonie und gutes Bier: Ein klares Erfolgsrezept. Zudem plant der Chef weitere Verköstigungen und Betriebsführungen auch nach der Eröffnung im Herbst anzubieten.

Doch plötzlich ist Steffen Marx wieder an anderer Stelle gefragt. Draußen fluchen die Arbeiter, denn die schweren Lagertanks und Braukessel sind zwar jetzt direkt an den Rundfensteröffnungen zum Sudhaus angelangt – doch die Fensteröffnungen sind zu niedrig, um die Herzstücke hindurchzu- hieven. Am Ende gelingt es doch – weil die emsigen Transportarbeiter unter Mitregie von Steffen Marx die voluminösen Anlagenteile gekippt durch die Fensterfluchten hieven. Am Ende lacht und schmunzelt Steffen Marx längst wieder. Reichlich Kellertechnik muss noch installiert werden, weitere Fenster und Türen eingesetzt und der Feinschliff in Sudhaus und Stüberl vollzogen werden. Steffen Marx trabt in seinen Gummistiefeln längst zum nächsten Baustellenprojekt davon. Sein leuchtend oranges T-Shirt weist den nach Informationen heischenden Verfolgern den Weg durch die Baustelle. An diesem verregneten Montag ist zu sehen: Das Großprojekt Umzug geht für »Giesinger Bräu« und seinen vitalen Chef in die entscheidende, finale Phase. Harald Hettich

Artikel vom 19.08.2014
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...