Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über den Christopher Street Day

München · „Da schau her!“ - So ein Geplattel!

München · Da fährst du an einem Samstag mit dem Radl durch die Stadt, zum Viktualienmarkt vielleicht auf ein Gurkerl. Und dann biegt da um die Ecke ein Remmidemmi, der sich gewaschen hat. Da winkt dir eine Bürgermeisterin zu, von weit hinten hörst du ein Gewummer, aber erst mal kommt eine Truppe Schuhplattler, die dir endlich einmal wieder zeigen, wie schön eigentlich das Platteln ist.

So ein Geplattel, das ist archaisch, kaum sonst hört man Freudenjuchzer mit solcher Inbrunst. Die Lederhosen glänzen wie ein in der Sonne weichgewordenes Butterbrot vom tausendfachen Draufhauen. Ein Werbetanz eigentlich, ein Brunftgehabe. Nur, dass in diesem Fall die Madeln fehlen, um die der trachtenvereinigte Plattler ordnungsgemäß zu werben hat. Normalerweise. Aber an diesem Tag ist nichts normal, das ist das Schöne daran. Noch schöner ist aber, dass man mit der Erkenntnis danach in den Biergarten geht, dass es nichts Normales sowieso nicht gibt. Jeder Normale ist unnormal. Denn die Schuhplattler, die da hinter der Bürgermeisterin daherbrünfteln, haben keine Mädels dabei, was der Sache aber keinen Abbruch tut. Im Gegenteil: Es ist ein Werben um sich selbst, was der Unterhaltung schwer dient. Es waren die Schwuhplattler, die da ihre Gaudi vollzogen, das habe ich schnell mitbekommen.

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Und allein die Vorstellung, dass sie jedem Trachtenvereinsmeier, der auf Normalität pocht, das Grausen in Reinform bringt, das amüsiert schon so, dass du kein Fernsehen mehr brauchst für das nächste halbe Jahr. In diesem Jahr bringe ich endlich einen Hut mit, den ich ziehen kann. Denn das haben sich die Schwuhplattler verdient. Wie es übrigens die ganze Parade des Christopher Street Days verdient hat. Als ich da auf meinem Radl halb überfallen wurde vom Umzug der Schrillen, Schwulen, Transen, Lesben und allen anderen, die den Tag nützen, um sich und die anderen zu feiern, seitdem weiß ich, was lustig sein wirklich bedeuten kann. Ich wünsche mir ein Zusammenlegen mit dem Trachtenumzug am ersten Oktoberfestsonntag – so sehr wie kaum etwas sonst. Auf dass einmal wieder was weitergeht in dieser Stadt. Diejenigen, die da am kommenden Samstag wieder durch die Stadt ziehen, wird mein Wunsch wenig scheren. Sie haben ihre Gaudi. Und ich damit, denn seit ich da beinahe vom Radl fiel vor lauter Begeisterung, komme ich jedes Jahr wieder. Nein, so was darf sich der Münchner nicht entgehen lassen, was da los ist.

Artikel vom 05.07.2012
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