Piratenpartei will Transparenz mit Geschäftsstelle schaffen

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Von Milbertshofen ins Maximilianeum: die Piraten bei einem Mitgliedertreffen in der neuen Geschäftsstelle.  Foto: js

Von Milbertshofen ins Maximilianeum: die Piraten bei einem Mitgliedertreffen in der neuen Geschäftsstelle. Foto: js

München · Die Piratenpartei gilt noch immer als Exot in der politischen Landschaft. Bekannt geworden durch ihren Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung zählt die Partei in München inzwischen rund 860 Mitglieder, der Landkreis München, der nicht zum Kreisverband gehört, weitere 188 Mitglieder.

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Vor Kurzem eröffnete die Partei in der Schopenhauerstraße in Milbertshofen eine eigene Geschäftsstelle. Dort haben nun Kreis-, Bezirks- und Landesverband ihren gemeinsamen Sitz. Ein eigenes Büro zu eröffnen sei bereits bei seinem Amtsantritt im Oktober 2010 sein Ziel gewesen, sagt Kreisvorstand Holger van Lengerich. „Das war dringend nötig, uns haben die Arbeitsmöglichkeiten gefehlt.“ Für Treffen hätten den Mitgliedern bisher nur öffentliche Gaststätten zur Verfügung gestanden. Nun hat die Partei das gesamte Erdgeschoss eines Verwaltungsgebäudes angemietet, die Fläche beträgt insgesamt 160 Quadratmeter. Die neuen Räumlichkeiten würden gut angenommen, berichtet van Lengerich. Nicht möglich sei es jedoch, das Büro tagsüber zu besetzen: „Wir arbeiten ausschließlich mit Freiwilligen, da ist das schwer.“ Geplant sei aber, künftig feste Öffnungszeiten einzuführen.

Dass die Partei noch nicht so professionell ist, betrachten viele Mitglieder als Vorteil. „Das ist perfekt gelebte Basisdemokratie“, schwärmt Arnold Schiller, der in der IT-Branche arbeitet und seit 2009 dabei ist. Zuvor sei er in der FDP politisch aktiv gewesen, erzählt der Moosacher. In einer jungen Partei wie den Piraten, die 2006 gegründet wurden, könne er jedoch „seine Ideen besser einbringen“. Auch für Daniel Kunzelmann, freier Journalist aus der Maxvorstadt, war dieses Argument ausschlaggebend für seinen Beitritt im vergangenen Dezember. Er habe lange überlegt, sich politisch zu engagieren, sagt er: „Aber ich wollte mich nicht ins hundertste Glied einer Partei mit festen Strukturen einfügen“. Bei den Piraten habe er die Möglichkeit, „aktiv mitzumachen“. Etwa habe er das Projekt übernommen, neue Mitglieder in der Benutzung einer Software für Umfragen zu schulen. Die Verbindung von Politik und Internet findet auch Bertram Richter aus der Messestadt West interessant, der vor seinem Beitritt vor vier Monaten Mitglied der Jusos war: „Partizipation per Netz, das ist am Puls der Zeit.“ Zuständig ist er inzwischen für die „Jungen Piraten“, eine Gruppe von Parteimitgliedern zwischen 17 und 22 Jahren, die derzeit noch im Aufbau ist.

Prominente Unterstützung erhielten die Piraten kürzlich von Alt-Hippie Rainer Langhans. Der Schwabinger ließ der Partei eine Spende von 20.000 Euro zukommen. „Die Piraten gehen uns voran ins Netz“, erklärt er. Dort sei eine bessere Welt möglich. Ähnliches hätten bereits die 68er versucht: „Die sich weiter verstärkende Kommunikation mittels des Netzes führt irgendwann zur Liebe, die wir damals ein Jahr lang erlebten.“ Dieses Wochenende, 24. und 25. März, findet in Straubing der Landesparteitag der Piratenpartei statt. In diesen zwei Tagen soll dort das Parteiprogramm weiterentwickelt werden. Die bisher wichtigsten Punkte im Parteiprogramm fasst Aleks Lessmann, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Bayern, kurz zusammen: „Das sind das Positionspapier gegen die dritte Startbahn, Breitbandzugänge zum Netz und freie Lehrmittel an bayerischen Schulen.“ Auf die Frage, wie diese finanziert werden soll, weiß Lessmann schnell eine Antwort: „Wir haben Milliarden übrig, um Banken zu retten, dann werden wir auch ein paar Millionen haben, um Kindern gute Bücher zur Verfügung zu stellen.“

Dass es in der Partei um mehr als Bürgerrechte und Datenschutz geht, bestätigt auch van Lengerich. Für kritikwürdig halte er etwa das Vorgehen von Stadt und Land beim Projekt der zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Die Bürger würden nicht ausreichend miteinbezogen, sie bekämen lediglich „fertige Konzepte vorgesetzt“. Auch das Problem der Gentrifizierung werde in der Partei diskutiert: „Wir sind für eine angemessene Stadtentwicklung und wollen nicht, dass man in München die Mieten nicht mehr zahlen kann.“ Was die Lösung dieses Problems angeht, sind die Piraten indes auch nicht weiter als die etablierten Parteien. Lengerich gibt zu: „Wir arbeiten derzeit noch an Ideen.“ Am Sonntag, 25. März, 11.30 Uhr, beschäftigt sich die Kolpingsfamilie Neubiberg mit den Piraten: Drei gewählte Volksvertreter für den Bundestag (Florian Hahn, CSU; Anton Hofreiter, Die Grünen; Jimmy Schulz, FDP) diskutieren beim Politischen Frühschoppen über die Piratenpartei.

Von Julia Stark und Stefanie Halbinger

Artikel vom 22.03.2012
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