Von Janina Engelbrecht

Bogenhausen · Leben am Straßenrand (Teil 2)

Bogenhausen · Im ersten Teil der Geschichte, vergangene Woche im Bogenhausener Anzeiger erschienen, erzählt die Autorin von dem deutschen Pater Lutz Hübner, der sich mit aller Kraft für ein Streetwork-Projekt in Bolivien einsetzt.

Leben am Straßenrand (Teil 1)

12-teiligen Reihe: Wir hinterfragen Geschichten

Das Projekt wird nur durch die deutschen Spenden finanziert und von den Menschen getragen, die mit den Kindern zusammenleben, sich für sie einsetzen und aufopfern, um jedem von ihnen persönlich zu helfen. Pater Lutz Hübner: »Wir versuchen die Kinder zu animieren, einen Teil ihres erarbeiteten Geldes, das sie auf der Straße verdienen, zu sparen, um es später in Gesundheit, Schule und Studium und persönliche Wünsche zu investieren. Wir sind dann sozusagen wie ihre Bank, indem wir ihr Geld anlegen. Die Kinder sollen freiwillig zu uns kommen, weil sie ihr Leben ändern und etwas erreichen wollen.«

Das jähe Ende seiner Arbeit

Außerdem bereitet das Projekt für die Kinder ein Essen zu, hilft bei der Wiedereingliederung in die Schule und hilft mit Arbeitsmaterialien, indem es den Schuhputzern zum Beispiel Schuhcreme zur Verfügung stellt oder die Schulmaterialien, Schuluniform und einen Teil der Studiengebühren bezahlt. Viele Kinder kommen auch nur für eine Nacht in die Notschlafstelle, weil sie dort Essen bekommen, duschen und schlafen können. Dafür müssen sie am nächsten Tag beim Kochen mithelfen, sowie putzen und wieder aufräumen.

Pater Hübner musste aufgrund von Streit mit seinem Orden über Nacht das Land verlassen und kehrte nach Deutschland zurück. Denn nachdem der Bürgermeister Steuern von den Schuhputzern, die vor allem viele Straßenkinder sind, verlangen wollte, deckte der Pater auf, dass es solch ein Gesetz überhaupt nicht gibt, und trat aus Protest gegen diese Ungerechtigkeit in einen 30-tägigen Hungerstreik, zusammen mit anderen Mitarbeitern von Hilfsorganisationen. Dies sei für ihn der einzige Weg gewesen, Aufsehen dafür zu erlangen und so Gerechtigkeit zu schaffen. Das Hungern bezeichnet er als freiwilliges Fasten und erklärt, dass es ihm durch seinen starken Glauben, den Willen, sein Ziel durchzusetzen und mit der Hilfe Gottes nicht schwer fiel. Die Kinder seiner Organisation gaben ihm die Kraft durchzuhalten und beteten zusammen mit ihm. Er machte in der Kirche seines Priesterfreundes die Gemeinde und viele andere Bewohner der Stadt darauf aufmerksam, da er auch als ziviler Vertreter einer Kommission zum Schutz der Kinder in der Stadtverwaltung arbeitete. So wandten sie sich schließlich sogar an die Regierung und es konnte erfolgreich verhindert werden, dass Steuern gezahlt werden mussten. Die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaft gezogen.

In der Folge wurde Pater Lutz Hübner von seinem Orden verstoßen, ausgeschlossen und war in El Alto nicht mehr erwünscht. Der Geistliche macht die Korruption dafür verantwortlich. Demnach hatte der Bürgermeister den befreundeten Priester des Paters bestochen und dadurch erreicht, dass Hübner nach München zurückkehren musste. »Das war eine wahnsinnige Enttäuschung für mich und hat mir unglaublich wehgetan. Am schlimmsten war, dass ich mich nicht mal von allen verabschieden konnte. Mein eigener Orden hat sich von mir abgewendet. Dass ich weg von meinem Projekt und von den Kindern musste, ist für mich das Traurigste. Als ich zurück in München war, bekam ich Depressionen und leide bis heute sehr darunter«, beschreibt der Pater seine Gefühle.

In München leitete Hübner von 2005 bis 2007 drei Pfarrgemeinden als Priester, wobei er gerade bei allen Jugendlichen ein besonderes Interesse für seine Predigten erweckte und sich sehr beliebt machte. Alle seine Einnahmen aus der Arbeit ließ er dem Projekt in Bolivien zukommen. Mit anderen deutschen Mitarbeitern organisiert er auch noch regelmäßig Benefizkonzerte, Gottesdienste oder Bücherflohmärkte und putzt selber sogar Schuhe, um den Erlös zu spenden. »Ich lebe für die Armut und die armen Kinder. Das ist für mich die Lebensmitte. Man muss die schwierige Lage der Menschen wahrnehmen und helfen. Das Wichtigste ist für mich, die Kinder weiterhin zu unterstützen«, erzählt er mit einem Lächeln und voller Überzeugung. Sein größter Wunsch ist es auch, so bald wie möglich nach Bolivien zu den Kindern zurückzukehren, wenn ihm das wieder möglich ist.

»Das ist das, wofür ich lebe«

Man merkt, dass Pater Lutz Hübner sich die Hilfe zur Lebensaufgabe gemacht hat. Er zeigt voller Stolz Bilder, auf dem man ihn mit einigen bolivianischen Kindern sieht und erzählt von den Erfolgen von Kindern seines Projekts, an die er sich noch gut erinnern kann. »Viele haben ihren Schulabschluss gemacht, manche studieren inzwischen sogar schon Jura, Sozialpädagogik oder anderes, und ein früherer Schuhputzer will Priester werden. Das macht mich unglaublich stolz und das ist, wofür ich arbeite und lebe.«

Artikel vom 02.02.2012
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