Radeln in München: Mehr Unfälle sorgen für Diskussion

München · „Verkehrsmittel der Zukunft“

Mit verschiedenen Aktionen will München immer mehr Bürger für das Radeln in der Stadt begeistern. Ernst Schmidt ist ADFC-Experte für den Münchner Norden mit dem Ziel: Verbesserung des Radroutennetzes im nördlichen Landkreis. Foto: Stadt München/Privat

Mit verschiedenen Aktionen will München immer mehr Bürger für das Radeln in der Stadt begeistern. Ernst Schmidt ist ADFC-Experte für den Münchner Norden mit dem Ziel: Verbesserung des Radroutennetzes im nördlichen Landkreis. Foto: Stadt München/Privat

München · Was gibt es Schöneres, als sich am Feierabend oder am Wochenende auf den Sattel zu schwingen und entspannt zum Markt zu radeln, an die Isar zum Picknick oder durch den Englischen Garten mit Stopp an einem Biergarten. Doch im Alltag bedeutet Radlfahren in der Stadt häufig: Stress statt Spaß.

Das liegt zum einen an zu schmalen Fahrradwegen, die immer wieder für brenzlige Situationen sorgen: „München ist zwar auf einem guten Weg“, sagt Traudl Schröder, Sprecherin des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) München, aber es gebe halt noch viele alte Radwege aus den 70er-Jahren, die durch ihren begrenzten Platz für Radfahrer und Fußgänger für Konflikte sorgen.

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Auch das Verhalten einiger Radler sorgt für Unmut: Jeder zweite ist selbst schuld an einem Unfall, so die Erfahrung der Münchner Polizei. „Im Jahr 2010 verursachte diese Verkehrsgruppe 56 Prozent aller Verkehrsunfälle mit Fahrradfahrerbeteiligung“, erklärt der zuständige Polizeihauptkommissar Ulrich Meyer-Arend. Heuer sind bisher bereits 40,6 Prozent mehr Fahrradunfälle passiert. „Sicherlich wirken mehrere Faktoren zusammen“, so Meyer-Arend, „angefangen vom schönen Wetter und der damit verbundenen stärkeren Nutzung des Verkehrsmittels Fahrrad.“ Damit erklärt auch die ADFC-Sprecherin die hohen Zahlen. „Aber auch das Maß an Diziplin im Straßenverkehr bzw. der Beachtung oder Nichtbeachtung von Verkehrsregeln“, wie es Meyer-Arend formuliert, seien Grund für die Zunahme. Die häufigsten Fehler der Fahrradfahrer: verbotswidriges Befahren des Radweges entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung, Fehler beim Überholen, Fehler beim Abbiegen, Verstoß gegen das so genannte Rechtsfahrgebot, nicht angepasste Geschwindigkeit und Alkoholeinfluss.

„Radfahrer sind nicht rücksichtsloser als andere Verkehrsteilnehmer“, behauptet Schröder. Stress und Hektik hätten allgemein zugenommen im Verkehr. Das Rad sei trotzdem das Verkehrsmittel der Zukunft für die Stadt, optimal für alle Wege bis etwa fünf Kilometer, so Schröder: 14 Prozent aller Wege in der Stadt würden mittlerweile mit dem Rad zurückgelegt, berichtet Schröder, 2002 seien es noch 10 Prozent gewesen.

Noch mehr Münchner auf den Sattel bringen will München mit seiner 2010 gestarteten Radl-Kampagne, in deren Rahmen vom 16. bis 21. Mai eine Radlschau-Woche stattfindet mit einem täglich bunten Programm (mehr unter www.radlhauptstadt.de): „Fahrradfahren hat Stil, ist gesund, klimafreundlich und zudem die schnellste Möglichkeit sich in der Stadt fortzubewegen“, wirbt die Stadt für ihr ehrgeiziges Ziel. Kritik kam vor kurzem von der CSU-Stadtratsfraktion: „Die Stadt hat viel Geld für eine Fahrrad-Marketingkampagne (unter anderem Radl-Kasperl, Wadl-Casting) in die Hand genommen, um den Radverkehr deutlich zu steigern. Diese Mittel wären besser für geeignete Maßnahmen zur objektiven und subjektiven Sicherheitsförderung verwendet worden wie zum Beispiel den von uns geforderten Fahrradwegebau oder Verkehrssicherheitsschulungen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Rats-CSU, Josef Schmid.

Besonders ein Dorn im Auge ist Fraktionsvize Richard Quaas der Bereich Odeonsplatz-Residenzstraße-Dienerstraße-Marienplatz-Rindermarkt. Das funktioniere nicht wie geplant als „Verkehrsbegegnungszone“, wo sich die Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt bewegen können sollen, „sondern führt zur Sicherheitsgefährdung für alle“, und fördere die zunehmende „Radl-Rambo-Mentalität“ und Missachtung der Verkehrsregeln, selbst bei Senioren, wie die CSU festgestellt haben mag. „Deswegen müssen jetzt auch die Erkenntnisse der Unfallstatistik unter dem besonderen Gesichtspunkt der Sicherheit für alle im Innenstadt-Querungskonzept Berücksichtigung finden.“

„Wir rufen dazu auf, nicht zu polarisieren“, meint Schröder vom ADFC, „sondern sind für ein Miteinander und mehr Mitdenken für andere.“ Hauptproblem sei, „dass der Radverkehr nicht ernst genommen wird. Das Fahrrad wird als Sport- und nicht als Verkehrsmittel gesehen“, ärgert sich Ernst Schmidt, Sprecher des ADFC im Landkreis Nord und Experte für die Situation vor den Toren Münchens, von Schleißheim bis Ismaning. Und da gäbe es einiges zu verbessern: „Zwei-Richtungsradwege innerhalb von Ortschaften sollten tunlichst vermieden werden, um die Verkehrssicherheit von Fußgängern und Radfahrern zu erhöhen“, meint Schmidt. Ein Fußweg mit Benutzungserlaubnis für Radfahrer sei hier meistens sinnvoller. Auch mit wenig Geld könnte man da viel erreichen in Sachen bessere und sichere Radwege. „Mein Wunsch ist“, so Schmidt, „dass das Fahrrad in den Verkehrsplanungen als Verkehrsmittel für den Nahbereich gleichberechtigt wie das Auto in den Verwaltungen und Planungsbüros berücksichtigt wird.“

Radwege entlang von Parkanlagen und wenig befahrenen Straßen zeigt der „Münchner Radlstadtplan“, der gerade in der neunten Auflage erschienen ist. Er ist kostenlos erhältlich auf Nachfrage in den Foyers im Referat für Gesundheit und Umwelt (Bayerstraße 28 a), im Baureferat (Friedenstraße 40), im Kreisverwaltungsreferat (Ruppertstraße 19) sowie beim ADFC (Platenstraße 4) und in der Stadt-Information im Rathaus (Marienplatz 8). Von Michaela Schmid

Artikel vom 05.05.2011
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