Schwabinger Schauspielerin Demet Gül spielt in »Almanya«

Schwabing · Roter Teppich naht

Demet Gül liebt »ihr« Schwabing – demnächst muss sie es für kurze Zeit gegen den roten Teppich beim »Deutschen Filmpreis« eintauschen. 	Foto: scy

Demet Gül liebt »ihr« Schwabing – demnächst muss sie es für kurze Zeit gegen den roten Teppich beim »Deutschen Filmpreis« eintauschen. Foto: scy

Schwabing · Die Schwabinger Schauspielerin Demet Gül ist auf Erfolgskurs mit dem jüngst angelaufenen Kinofilm »Almanya«. Frauenliebling Til Schweiger hat somit harte Konkurrenz aus dem eigenen Land bekommen. Denn die deutsche Produktion »Almanya« überholte vor wenigen Tagen die Schweiger-Komödie »Kokowääh« …

…und schaffte es mit rund 330.000 Zuschauern auf Platz drei der aktuellen Kino-Charts. Bereits bei der Berlinale war »Almanya« Publikumsliebling. Und ist nun für den Deutschen Filmpreis nominiert – und das in den wichtigen Kategorien »Bester Film« und »Bestes Drehbuch«. Mit auf dieser Erfolgswelle: Demet Gül. Dunkelrote Haare, braune Augen, zierlich. Plötzlich steht sie auf roten Teppichen, gibt Interviews, wird fotografiert – und von wildfremden Menschen auf der Straße erkannt. »Ich kann das alles noch gar nicht so richtig fassen«, sagt die 28-Jährige.

Der Englische Garten ist der Ort, an dem sie bei all dem Trubel zwischendurch so richtig auftanken kann. Mit Freunden sitzt Gül gerne im Biergarten am Seehaus. Sie genießt die wärmeren Temperaturen, die nun langsam kommen. »Jetzt habe ich wieder Lust, joggen zu gehen«, erzählt sie. Vorbei am Kleinhesseloher See und am Chinesischen Turm läuft Demet Gül etwa drei Mal die Woche ihre Runden. Ist sie auf Shoppingtour, dann auch am liebsten in Schwabing, in den Nebenstraßen, in diesen »kleinen, süßen Lädchen«. Schwabing sei einfach wunderschön, schwärmt sie. »Ich genieße es, hier zu leben. Mir würde es sehr schwer fallen, wegzuziehen.« Die Wohnung, der Schauspielerin liegt mittendrin, nahe der Münchner Freiheit – mehr Schwabing geht fast nicht. Geboren und aufgewachsen ist Demet Gül im »Schwabenländle«, in Stuttgart. Im Jahr 2004 schaffte sie es an die legendäre Schauspielschule Otto-Falckenberg, später an die Bayerische Staatsoper – und hat seitdem in München ihre zweite Heimat gefunden. Im Grunde ist es ihre dritte Heimat, denn Demets Eltern stammen aus der Türkei. Ihre Mutter kam mit 18 Jahren nach Deutschland, um nach einer enttäuschten Liebe Abstand zu gewinnen. Der Vater war Gastarbeiter – er starb, als Demet sechs Jahre alt war.

Deutsch oder türkisch – diese Frage, die in »Almanya« eine zentrale Rolle spielt, stellt sich Demet Gül auch manchmal. »Da bin ich dann in einem Zwiespalt und weiß nicht, wohin ich gehöre«, sagt sie. Ein Dozent von der Schauspielschule habe einmal zu ihr gesagt: »Du wirst erst angekommen sein, wenn du dich für beide Kulturen nicht mehr rechtfertigen musst.« Einmal, mit 16 Jahren, da sei sie plötzlich fest entschlossen gewesen, in die Türkei, nach Istanbul zu ziehen. »Ich habe aber schnell erkennen müssen, dass das nicht so einfach ist.« Dort sei alles so groß und unübersichtlich, erzählt sie. Für Türken ist sie ein Stück fremd, eine so genannte »Deutschländerin«. Ihr Türkisch habe einen leichten Akzent. »Man hört, dass ich anderswo aufgewachsen bin.«

Demet Gül heißt »ein Strauß Rosen«

Nein, auch heute noch könne es sich Demet Gül – ihr Name heißt übersetzt »ein Strauß Rosen« – nicht vorstellen, in der Türkei zu leben. Auch wenn sie manchmal Sehnsucht hat nach dem Meer und der Sonne und der türkischen Mentalität. »Ich liebe die Gastfreundlichkeit der Türken«, schwärmt sie. Ein Stück Türkei findet sie jedoch auch in München. Ihr »Little Istanbul« sei die Goethestraße. »Dort kaufe ich oft Obst und Gemüse ein. Und besonders viele Granatäpfel – die esse ich für mein Leben gern.« Die Geschichte in »Almanya« dreht sich um einen Mann, der in den 1960er-Jahren als einer der ersten Gastarbeiter nach Deutschland kam. Demet Gül spielt Fatma, seine Frau. »Diese Fatma erinnert mich sehr an meine Mutter. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die meine Schwester und mich alleine groß gezogen hat. Sie hat hart gearbeitet und bei Schwierigkeiten nie aufgegeben«, berichtet Gül. »Meine Mutter ist der wichtigste Mensch in meinem Leben – und mein großes Vorbild.« Als sich Demet Gül zum ersten Mal groß auf der Leinwand sah, sei sie zunächst ein bisschen schockiert gewesen. »Man ist das ja nicht gewöhnt«, sagt sie lachend.

Inkognito unters Publikum gemischt

Am 10. März, also am Tag des Filmstarts, hat sie sich im Mathäser-Filmpalast unter die Kinobesucher gemischt – inkognito. »Ich wollte herausfinden, wie die Leute auf den Film reagieren«, sagt sie. Es gab – wie erwartet – viele Lacher. Die größte Überraschung aber sei am Schluss gekommen, als alle begeistert applaudierten. Demet Gül sagt: »Das habe ich noch nie erlebt.« Im Film gibt es diesen Satz: »Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen.« Demet Gül berührt dieser Satz sehr. »Es ist doch im Grunde egal, ob man Deutscher ist oder Türke – man ist Mensch«, meint sie. »Man sollte auf dieser Welt zusammen leben können, ohne sich rechtfertigen zu müssen, woher man kommt.«

Eben noch nachdenklich, lacht sie plötzlich wieder, quirlig, aufgedreht, wechselt das Thema. »Ich muss unbedingt noch ein Kleid finden, das ich beim ›Deutschen Filmpreis‹ tragen werde«, sagt sie. »Auch das ist neu, dass ich mir darüber Gedanken machen muss.« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 29.03.2011
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