Schüler der Weilerschule nehmen am Projekt »zammgrauft« teil

Au · Gewalt keine Chance

Der »Vertrauensfall« ist eine der schwierigsten Übungen im Kurs »zammgrauft«. Nicht jeder bringt so viel Vertrauen auf wie dieser Schüler.	 Foto: gh

Der »Vertrauensfall« ist eine der schwierigsten Übungen im Kurs »zammgrauft«. Nicht jeder bringt so viel Vertrauen auf wie dieser Schüler. Foto: gh

Au · Zu Beginn stellt der 11-jährige Gabriel die Vertrauensfrage: »Seid ihr bereit?« Von hinten schallt es achtfach »Ja!«. Gabriel spannt seinen Körper an, verschränkt die Arme vor der Brust – und lässt sich rückwärts von der Tischkante nach hinten fallen. Die 16 Hände und Arme, die ihn auffangen, sieht er nicht, er vertraut aber darauf, dass sie da sind. Und wirklich, er wird weich federnd von seinen Klassenkameraden aufgefangen. Gabriels Lachen zeigt, dass er erleichtert ist. »Zu Anfang hatte ich schon ein bisschen Angst, aber dann habe ich mich einfach darauf verlassen, dass sie mich fangen.«

Gabriel und seine Klassenkameraden von der 6. Klasse der Volksschule an der Weilerstraße nehmen im Jugendtreff Au am Kegelhof an einem zweitägigen Kurs des Anti-Gewalt-Projektes »zammgrauft« teil. Es ist vor acht Jahren ursprünglich als Polizeikurs für Jugendliche und Erwachsene entstanden. Da das Projekt sehr gut ankam und das Präventionskommissariat und die Jugendbeamten des Polizeipräsidiums München den Ansturm nicht mehr bewältigen konnten, bildete die Polizei Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen als Multiplikatoren aus, 1.700 sind es jetzt schon.

Zwei davon sind Monika Siefken, Lehrerin an der Volksschule an der Weilerstraße, und Sozialpädagogin Miriam Henrich, die Jugendsozialarbeiterin der Schule. Sie machen den Kurs heuer zum zweiten Mal mit einer 6. Klasse und haben nur gute Erfahrungen gemacht. Monika Siefken: »Ziel des Programms ist es, die Kinder für Gewalt-Themen zu sensibilisieren und ihnen Strategien an die Hand zu geben, wie sie sich in kritischen Situationen wehren können.«

Dass schon Mobbing eine Form der Gewalt darstellt, konnten die Schüler am ersten Tag erleben. Jeweils ein Kind stellte sich als mögliches Mobbingopfer zur Verfügung. In einer Spielszene sollte es zu der Gruppe stoßen, wurde aber von dieser konsequent ignoriert und ausgeschlossen. »Das hat die Betroffenen sehr verunsichert. Sie haben es als sehr unangenehm empfunden, obwohl es nur gespielt war«, meinte Miriam Henrich. Nach jedem Spiel wird in der Gruppe besprochen, wie sich jeder gefühlt hat. Dabei fließt auch Erlebtes in die Gespräche mit ein. Monika Siefken: »Wir waren überrascht, wie viele schon Gewalterfahrungen gemacht haben.« Die Vertrauensspiele sind besonders wichtig, um zu erkennen, was es heißt, sich auf andere verlassen zu können. Denn Zivilcourage zu zeigen gelingt meist nur, wenn man nicht alleine ist – in der Gruppe geht helfen ganz leicht.

Aber auch wie es sich anfühlt, als Schläger angefeuert zu werden, lernen die Kinder. In einem Rollenspiel schlagen zwei mit Schwimmschlangen aufeinander ein. Keiner tut dem anderen weh, aber es ist doch eine Prügelei. Die Gruppe steht um die Kämpfer herum. Die eine Hälfte feuert den einen, die andere Hälfte den anderen »Schläger« an. Miriam Henrich: »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Kämpfer die Anfeuerung als motivierend empfinden.« Auf ein Zeichen der Pädagoginnen verstummen die Zurufe, und sofort hören beide auf zu kämpfen. Die Kinder zeigten sich später verblüfft, welche große Wirkung dieses Anfeuern auf sie hatte. So viel zum Spiel. Was aber tun, wenn es bitterer Ernst ist? Die Pädagoginnen erarbeiteten mit den Schülern die richtige Strategie: Wer Zeuge einer Schlägerei wird, soll Hilfe holen oder die Polizei rufen. Einschreiten darf nur, wer sich damit nicht selbst in Gefahr bringt.

Man merkt den Schülerinnen und Schülern an, wie viel Spaß ihnen diese zwei Projekttage im Jugendtreff am Kegelhof machen. Die Anti-Gewalt-Trainings sollen bewusst nicht im Schulgebäude stattfinden, sondern an einem neutralen Ort, an dem sich die Kinder ungezwungener bewegen können. Auch Monika Siefken ist zufrieden mit dem Verlauf des Kurses: »Wir werden ihn jedes Jahr mit den 6. Klassen durchführen und auch in den 8. und 9. Klassen ein paar der Spiele wiederholen.« Vielleicht auch dieses Spiel, bei dem die beiden Pädagoginnen besonders stolz waren auf ihre Schülerinnen und Schüler: »Auf Stühle stellen«, heißt es. Dabei soll gemeinsames Handeln initiiert, gemeinsam Verantwortung für die Gruppe übernommen werden.

Jedes Kind stand also auf einem Stuhl. Nach und nach wurde ein Stuhl nach dem anderen weggenommen. Je weniger Stühle am Schluss, um so besser der Zusammenhalt der Gruppe, die natürlich für jeden ohne Stuhl noch enger zusammenrücken musste. Zuletzt waren es nur noch elf Stühle. Für 24 Kinder! Gabriele Heigl

Artikel vom 27.04.2010
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