Zwei Dokumentarfilme über Zlín, Vorbild der Moderne

Zentrum · Einzige ideale Industriestadt

Platz der Arbeit in Zlín.	Foto: Filmmuseum

Platz der Arbeit in Zlín. Foto: Filmmuseum

Zentrum · Zur Ausstellung »Zlín – Modellstadt der Moderne«, die noch bis zum 21. Februar im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne zu sehen ist, zeigt das Filmmuseum, St-Jakobs-Platz 1, in der »Open Scene« am Donnerstag, 4. Februar, um 19 Uhr zwei Filme: »Zlin – Die gelebte Utopie« (Österreich 2010) und »Bata-Ville – We are not afraid of the future« (Großbritannien 2005).

Im mährischen Zlín schuf der Schuster Tomáš Bat’a in den 1920er-Jahren die einzige ideale Industriestadt der Welt, die jemals verwirklicht wurde. Die Stadt gilt mit ihren funktionalistischen Grundstrukturen als Muster der Industriestädte des 20. Jahrhunderts. Nach den Blaupausen dieser Pläne wurden 34 Städte auf allen Kontinenten errichtet. Le Corbusier sah in Zlín die Traumstadt seiner Idee der »Funktionellen Stadt«, in der Arbeiten, Wohnen, Verkehr und Freizeit die Grundstruktur der Stadt bilden. Die Schuhstädte Bat’as konnten funktionieren, weil ihr Zweck – die Produktion von Schuhen – allem anderen übergeordnet wurde. Der Bat’a-Konzern ist heute einer der größten Schuherzeuger der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Geschäftszentrale in Kanada aufgebaut.

Zlín ist das Denkmal einer Vision der funktionalistischen Stadt, einer Architektur die einen besseren, neuen Menschen schaffen wollte, einer gelebten Utopie eines gebauten Gedankens, der Moderne an sich und ein leidenschaftliches Plädoyer für Idee und Sache und gegen Ideologie, Dogma und Spekulation.

Der Film dokumentiert mit umfangreichem Archivmaterial und Interviews mit Zeitzeugen, Historikern, Architekten und Ökonomen die Geschichte der Stadt Zlín und der Schuhfabrik von ihrer Hochblüte Anfang der 1930er-Jahre bis ins Heute. Der Regisseur Alexander Binder ist bei der Filmvorführung zu Gast.

Bat’a-Fabriken gab es zum Beispiel auch in den sozial schwachen englischen Städten Maryport und East Tilbury. Beide sind geschlossen und der Großteil der ehemaligen Belegschaft ist arbeitslos. Die Performer/ Filmerinnen Pope & Guthrie sind mit 42 ehemaligen Bat’a-Angestellten nach Zlín gereist. Während der Reise reflektieren die Bus-Passagiere ihre gemeinsame Vergangenheit und spekulieren, darauf, was die Zukunft zuhause für sie bereit hält. Was bedeutet Tomáš Bat’as Maxime »Wir haben keine Angst vor der Zukunft« für sie, jetzt im 21. Jahrhundert?

Die Reisenden folgen der Geschichte und der Vision Bat’as, treffen die Bat’a-Familie, besuchen das Schuhmuseum in Zlín, die Flugzeugfabrik und Bat’as Grab. Bittersüße Reflektion einer melancholischen Reise durch ein sich veränderndes Eu­ropa, und eine faszinierende Gratwanderung zwischen Dokumentarfilm und Performance-Experiment.

Artikel vom 02.02.2010
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