Aber die Haidhauser lassen sich nicht einfach alles aufdrängen

Haidhausen · Jeder dreht sich’s so, wie er’s braucht

In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit. Dieses Recht nutzen die Haidhauser derzeit ganz besonders und das haben sie in diesem Jahr mehrfach gemacht. Wann immer es um den geplanten Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke geht, sagen sie ihre Meinung. Und die Haidhauser sind sich im Großen und Ganzen einig: Zu den Planungen unter dem Stadtteil hindurch muss es eine Alternative geben.

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Niemand will eine fünfeinhalb Jahre dauernde Baustelle mitsamt allen Nachteilen im Stadtteil haben. Vermieter und Geschäftsleute fürchten wirtschaftliche Nachteile. Wenn die Planungen umgesetzt werden, ist klar: Haidhausen wird sich verändern.

Jahresrückblick 2009 Haidhausen

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Nachhaltige Veränderungen wird es auch ohne die S-Bahn geben. Mit dem Abriss des ehemaligen SWM Direktionsgebäudes in der Schloßstraße erhält Haidhausen ein neues Gesicht. Die Planungen für eine Wiederbebauung stoßen vor allem im Bezirksausschuss (BA 5) auf Ablehnung. Das Straßenbild werde zerstört, Sichtachsen verbaut, die Identität Haidhausens gehe verloren. Auf dieser Baustelle hat der BA noch viel zu tun, um all dies zu verhindern.

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Ein anderer Teil, der für Haidhausens Identität steht, sind die Herbergshäusl. Um sie vor dem Verfall zu retten, sollten sie verkauft und von Privatleuten – vorzugsweise Käufern aus Haidhausen – restauriert werden. Seit 1994 wurden 24 Herbergshäusl veräußert, in diesem Jahr folgte das 25. und letzte. Der Einsatz hat sich gelohnt: Die Sanierungen gelten in der Regel als gelungen, die Herbergshäusl bleiben in Haidhauser Hand und der Charme des Stadtteils ist gerettet.

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Das gilt oberflächlich auch für die abgeschlossene Stadtteilsanierung. Doch hinter den Mauern sieht es anders aus. Nach der Sanierung privater Mietshäuser sind viele Mieten angehoben worden. In einer Untersuchung hatte das Planungsreferat festgestellt, dass »eine Verdrängung wirtschaftlich benachteiligter Bevölkerungsgruppen nicht eingetreten« sei. Dem widersprach die BA-Vorsitzende Adelheid Dietz-Will energisch. Untersucht worden seien nur die von der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung sanierten Häuser. Die jedoch seien an Sozialpläne gebunden, daher könne dort gar keine Verdrängung stattfinden. Dietz-Will kämpft mit ihren BA-Kollegen vehement gegen die schleichende Übernahme des Stadtteils durch Besserverdienende auf Kosten der so genannten kleinen Leute.

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Ergänzend zu einem »Nobelviertel« würde die Fußgängerzone in der Weißenburger Straße passen. Doch auch hier regt sich bei den streitbaren Haidhausern Widerstand. Dabei kam der Vorschlag aus dem eigenen Stadtteil. Die CSU-Fraktion im BA wollte entsprechende Planungen aus den 60er-Jahren wieder ans Licht holen. Diesmal kam das Planungsreferat der Stadt den Gegnern zu Hilfe. Die Fußgängerzone hätte negative Auswirkungen unter anderem auf den Einzelhandel. Der hält auch wenig von der Idee. Befürchtungen müssen die Geschäftsleute nicht haben. Die Fußgängerzone ist ein zahnloser Papiertiger.

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Streitbar haben sich auch die Ramersdorfer gezeigt. Die Umwandlung eines leerstehenden Bürogebäudes aus dem Stadtteil in ein Großbordell ist vom Tisch. Mit den schwärzesten Argumenten sind die Gegner bei der politischen Willensbildung dagegen vorgegangen und haben Erfolg gehabt – weil sie wahrscheinlich Recht behalten hätten. Ihrer Ansicht nach hätte der Großbetrieb erheblichen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Stadtteils gehabt.

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Oft beschweren sich die Menschen über Politik und Politiker, auch weil die Distanz in den Augen mancher zu groß ist. Da ist es ein positives Signal, wenn zumindest die Verwaltung auf die Menschen zugeht. Mit der Eröffnung des neuen Bürgerbüros im August hat das Kreisverwaltungsreferat eine klaffende Lücke geschlossen. Noch mehr gute Nachrichten wünschen sich die Haidhauser im neuen Jahr – besonders hinsichtlich der Kämpfe, die sie derzeit ausfechten müssen.

Artikel vom 29.12.2009
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