Die Fassade der Ernst-Barlach-Schule wird zur Bühne

Milbertshofen · »Besonders«, nicht »behindert«

Rampen statt »Treppenhaus« – dadurch ergibt sich eine besondere Kulisse.	Foto: VA

Rampen statt »Treppenhaus« – dadurch ergibt sich eine besondere Kulisse. Foto: VA

Milbertshofen · Schauplatz eines ungewöhnlichen Spektakels wird die Glasfassade der Ernst- Barlach-Schule am Petuelring. Vom 17. bis 19. September, jeweils um 21 Uhr, zeigt Dorothea Seror ihre einstündige Performance »Im Rampenlicht«. In einem »Grenzgang zwischen Unterhaltung und Störung« wollen sich Körperbehinderte gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung einer interessierten Öffentlichkeit zeigen.

Als »ideale Bühne« für eine Art Schattenspiel präsentiert sich die Fassade der Ernst-Barlach-Schule. Statt Treppen ziehen sich hier Rollstuhlrampen ähnlich einer riesigen »Schusserbahn« hinauf und hinab, bieten Platz für ein ungewöhnli­-ches Bühnenstück. Mit far­biger Beleuchtung wird Etage für Etage in ver­schiedene Szenen gesetzt und die gesamte Fassade von unten nach oben in die horizontal ansteigenden Bühnen »Unterwelt«, »Wald«, »Dorf« und »Himmel« aufgeteilt. Auf diesen Rampen will die Performancekünstlerin Dorothea Seror »ein modernes Märchen« inszenieren, wie sie sagt. Akteure in diesem Stück sind Menschen mit und ohne Behinderungen.

Darsteller mit Rollstühlen und bizarren Masken sollen geheimnisvolle Szenerien gestalten, in Form von Schattenspielen kündigt Seror den Zuschauern auf dem Platz vor der Fassade »ein verwirrendes Spektakel aus Spielen, Streiten und Locken« an.

Die Perspektive einer Hauptdarstellerin wird mit einer Kamera aus der Rampenbühne hinter der Fassade auf eine große Leinwand im Zuschauerareal übertragen werden. »Verwirrend schön und mit einer ungewöhnlichen Ästhetik«, verspricht Seror, »spielen Menschen mit und ohne Behinderungen mit ihrer ganz eigenen Körperlichkeit. Sie faszinieren mit dem Potenzial ihres Andersseins und lösen im Betrachter eine unendliche Liebe für ihre besondere körperliche Disposition aus.«

Die »Auflösung normativer Körperbilder« nennt Seror als das zentrale Anliegen. In ihrem Bühnenstück »Im Rampenlicht« spielen Menschen mit Körperbehinderungen die Hauptrolle – damit will sie auf ihre Weise das Postulat von Marcel Duchamp umsetzen, das davon spreche, dass »der kreative Akt nicht vom Künstler allein vollzogen wird«.

Im nächsten Schritt sieht Seror es als »nur folgerichtig« an, dass sie auch das Publikum ins Geschehen einbezieht und die Zuschauer selbst zu Akteuren werden lässt. Am Ende des Bühnenstücks seien die Zuschauer eingeladen, in »die intime Sphäre der DarstellerInnen vorzudringen und selbst für die Dauer der eigenen Abfahrt im Rampenlicht zu stehen oder vielmehr zu rollen.«

So soll »auf beinahe magische Weise beim Zuschauer ein intensives Gefühl für Behinderungen entstehen, die nun viel mehr als für Einschränkungen für eine erweiterte Möglichkeit des Ausdrucks stehen. In der künstlerischen Inszenierung von Bewegung, Klang und Licht wird die Grenze von Normalität und Nicht-Normalität überschritten, die Erfahrung einer Entgrenzung lebensnah spürbar«, plant Seror. Mit großem Selbstbewusstsein hätten sich die Darsteller bei der Inszenierung des Bühnenstücks engagiert. Nicht das Beschwerliche, sondern das Besondere der »Behinderten« wird thematisiert.

Seror spricht von einer »plakativen Inszenierung mit überraschenden visuellen Effekten, quasi einem Plädoyer für die emotionale und physische Kontaktaufnahme zu Menschen mit besonderen Körpern«. Die Ernst-Barlach-Schule als Aufführungsort bietet mit ihrem Rampen-»Treppenhaus« hinter der Glasfassade eine besonders geeignete Bühne für die Inszenierung. Durch die auf Transparenz angelegte Architektur des Gebäudes stehen vier übereinander angeordnete horizontale, ansteigende Spielebenen zur Verfügung, die das Auge einladen, dem Schauspiel abwechselnd oder gleichzeitig an vielen Stellen zu folgen.

Die Freifläche vor der Fassade, die auch über etwas höher angelegte »Logen« verfügt, wurde von den Landschaftsarchitekten Jühling und Bertram bewusst als Publikumsplatz konzipiert. In der Planung des Petuelparks als Platz für Kultur für Menschen mit und ohne Behinderungen nimmt die Ernst-Barlach-Schule mit ihrer Rampenfassade mit Publikumsplatz einen besonderen Platz ein.

Artikel vom 09.09.2009
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