In der Milbertshofener Straße geschieht Hilfe stumm, doch nicht wortlos

Milbertshofen · Dieselbe Sprache sprechen

»Kinder-Schutz«: Mitarbeiterinnen und Besucher der Ambulanten Erziehungshilfe für Gehörlose zeigen den Begriff in der Gebärdensprache. Die Mitarbeiterinnen (stehend) zeigen den ersten, die Besucher den zweiten Teil der Gebärde (»Schutz«).	Foto: em

»Kinder-Schutz«: Mitarbeiterinnen und Besucher der Ambulanten Erziehungshilfe für Gehörlose zeigen den Begriff in der Gebärdensprache. Die Mitarbeiterinnen (stehend) zeigen den ersten, die Besucher den zweiten Teil der Gebärde (»Schutz«). Foto: em

Milbertshofen · Beim Schuldirektor: »Also, ihre Tochter muss wirklich deutlich mehr tun, wenn sie versetzt werden will.« »Siehst du – alles in Ordnung, Mama; das habe ich doch gleich gesagt.« Diese Unterhaltung ist weder absurd noch zynisch. Es hat sie bereits häufig gegeben – mit Kindern, die damit überfordert werden, als »Übersetzer« zu dienen, als Vermittler zwischen der Welt der Hörenden mit ihrer Lautsprache und der der Gehörlosen, die in Gebärdensprache kommunizieren.

Damit sind Kinder nicht nur überfordert, sondern sie finden sich auch in einer Machtposition wieder, die häufig den Respekt vor den Eltern untergräbt. Manchmal schämen sie sich auch ihrer gehörlosen Eltern, wollen daher keine Freunde zu sich einladen.

Dies sind nur zwei typische Beispiele für Erziehungsprobleme, die viele gehörlose Eltern betreffen. Hilfe gibt es für Betroffene aus ganz München in der Milbertshofener Straße 12, bei der Ambulanten Erziehungshilfe (AEH) des Kinderschutz e.V. Mit Anke Klingemann und Kelly Randler arbeiten dort zwei Pädagoginnen, die selbst gehörlos sind und schon aufgrund ihrer eigenen Sozialisation mit den verschiedensten Problemen, die sich daraus ergeben können, vertraut sind. Ihre Kollegin Gerti Schaupp-Böhm ist hörend, beherrscht aber ebenfalls die Gebärdensprache. »Durch die gemeinsame ›Muttersprache‹ und den gleichen Hintergrund stimmt die Kommunikation«, erklärt Kelly Randler gegenüber der Münchener Nord-Rundschau. »Bei vielen Dingen, die die Eltern beschreiben, habe ich automatisch ein Bild vor mir – zum Beispiel, wenn es darum geht, was es heißt, im Internat aufzuwachsen«, wird sie, die auch diese Erfahrung selbst gemacht hat, konkreter.

In der vergangenen Woche stellte sich die AEH mit einem Informationstag Gehörlosen und ihren Familien vor. Anita und Hergen zum Beispiel sind mit ihrer kleinen Tochter Leonie gekommen. »Erste Probleme« haben sie aber mit dem zwölfjährigen Sohn Hergens, der auch bei ihnen wohnt. »Mit ihm kommt keine wirkliche Kommunikationssituation zustande«, berichtet Anita – der Sohn weigert sich, in der Gebärdensprache zu kommunizieren, ist es gewohnt, mit seiner leiblichen Mutter in Lautsprache zu reden.

Eine andere gehörlose Besucherin, Doris, hat Kinder, die selbst auch gehörlos sind. »Eigentlich ist das Verhältnis zu ebenfalls gehörlosen Kindern unproblematischer«, berichtet sie. Dafür belasten sie ganz andere Probleme – etwa die Entscheidung, ob sie ihre Kinder, die zurzeit noch einen Regelkindergarten zusammen mit Hörenden besuchen, auch auf eine Schule mit hörenden Kindern schicken soll. »Vielleicht wäre dort aber auch die Belastung zu groß«, befürchtet sie.

Einen Hilfsplan aufstellen und mit Hausbesuchen erfüllen kann die AEH nur mit einem Arbeitsauftrag des Sozialdienstes für Gehörlose. Hilfesuchende können sich aber nicht nur dorthin und an die Sozialbürgerhäuser wenden, sondern zunächst auch direkt an die AEH in Milbertshofen. Eva Mäkler

Artikel vom 24.03.2009
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