Maler und Chronisten der »echten Milbertshofener« sind gut beschäftigt

Die Milbertshofener »Galerie« wächst

Die Münchnerin und Milbertshofenerin Afrodite Vassilopoulou, gemalt von Brosi Ambris. 	Bild: VA

Die Münchnerin und Milbertshofenerin Afrodite Vassilopoulou, gemalt von Brosi Ambris. Bild: VA

Milbertshofen · Um die Vorfreude auf die »Galerie der echten Milbertshofener« zu steigern, die zur Zeit dank erzählfreudiger Stadtteilbewohner, begeisterter Maler und eifriger Chronisten im Kulturhaus Milbertshofen entsteht, druckt die Münchener Nord-Rundschau bis zu deren Eröffnung im Sommer Geschichten von Milbertshofenern ab, die bereits in der »Galerie der echten Münchner« zu finden sind.

Heute ist es die von Afrodite Vassilopoulou, die Peter Oberstein unter dem Titel »Zweimal daheim und doppelt fremd« aufgezeichnet hat: Afrodite Vassilopoulou musste erst lernen, sich nicht als Außenseiterin zu fühlen. Ihre Sehnsucht nach Griechenland bleibt groß – obwohl sie in München geboren ist.

Die junge Frau mit den langen Haaren spricht perfektes Deutsch. Manche Konsonanten betont sie allerdings etwas weicher, als man es gewohnt ist. Und wer genau hinhört, merkt, dass ihre Sätze eine andere – eher schwebende – Melodie haben. Zugleich spricht sie es mit der leicht formalen Akkuratesse derjenigen, die es erlernt haben – es sehr genau erlernt haben. Dazu passt ihre Haltung während des Interviews: höflich, sympathisch, kontrolliert, etwas zurückgenommen. Manchmal aber bricht eine andere Seite durch, in einer Geste, in einem Tonfall oder einem Blick. Dann erahnt man ihr Temperament, ihren Humor und die Warmherzigkeit.

Afrodite Vassilopoulou ist eine deutsche Griechin, eine griechische Deutsche, eine »Münchner Griechin«, wie sie sich selber nennt. Sie ist in München geboren und fühlt sich doch als Griechin. Sie wollte jahrelang zurück, obwohl es dieses »Zurück« nie gab. Sie gehört zu den vielen Menschen, die lebenslang zwischen zwei Welten wandeln, die in zwei Kulturen zu Hause sind und beide schätzen. Zwischen diesen Welten gibt es feste Grenzen, aber auch Brücken – und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Diese ganz realen Übergänge sind zum Beispiel bestimmte Türen. Da ist zum einen die zu Vassilopoulous Wohnung. Hinter dem Fußabstreifer beginnt die griechische Welt. Auch ihr Ehemann ist Grieche, sie spricht mit ihren Kindern griechisch, sie gehen auf griechische Schulen, die meisten ihrer Freunde und Bekannten sind Griechen.

Der Übergang in eine andere Welt ist auch das Foyer der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Dort arbeitet Vassilopoulous. Hier spricht sie deutsch. Und wie viele, die in verschiedenen Kulturen leben, ordnet sie diesen bestimmte Grundeigenschaften zu. An Deutschland schätzt die Münchner Griechin Sauberkeit und Ordnung und »das Korrekte«, was eigentlich für sie nur ein anderer Ausdruck für Gerechtigkeit ist, für Gleichbehandlung, etwa in Ämtern. Griechenland hingegen ist für sie »chaotisch«, aber wohl auch: offener, spontaner, vitaler.

Lange Zeit wollte sie nach Griechenland »zurück«, wie sie selbst sagt. Tatsächlich ist sie aber in München geboren und hat in Giesing ihre Kindheit verbracht. Am Nachmittag, erinnert sie sich, ist sie in die Schule am Agilolfinger Platz gegangen, da die griechischen Schulen damals, Mitte der siebziger Jahre, noch keine eigenen Gebäude besaßen. Längere Zeit gelebt hat sie in Griechenland nur während ihres Touristik-Studiums. Aber dennoch gab es dieses »Zurück«. Warum? »Es kam aus meiner Familie«, erklärt Frau Vassilopoulou, in diesem Wort floss die Sehnsucht ihrer Eltern nach ihrer Heimat zusammen. Ihre Mutter und ihr Vater waren Anfang der sechziger Jahre nach München gekommen. Beide hatten sich erst hier kennengelernt. Bei ihrem Arbeitgeber, der BMW AG. »Ich bin ein echtes Gastarbeiterkind«, sagt Vassilopoulou, mit allen Empfindungen, die diese oft erben. »Ich habe mich früher immer als Ausländerin gefühlt, immer bereit zu gehen.«

Heute macht sie das mehrmals im Jahr für länger – meist im Urlaub – günstige Flüge und die Freiheiten innerhalb der EU machen es ihr leicht. Sie hat auch in Griechenland gewissermaßen Wurzeln geschlagen, sie besitzt einen eigenen Olivenhain. Dort jedoch muss sie das erfahren, was viele erleben, die entfernt von dem Kulturkreis leben, dem sie sich zugehörig fühlen: Die Einheimischen bemerken Unterschiede zu sich oder glauben sie zu bemerken. »Für die dort bin ich ›die Deutsche‹.« Und neben diesen Abgrenzungstendenzen, die sie spürt, ist da noch etwas: Die Sehnsucht nach München, »einer Stadt, in der Ordnung herrscht«, auch wenn »das Wetter meist schlecht« ist. Deren Bewohner »offen« seien, die einem »im Beruf eine Chance geben«, in der man viel Kultur finde und nicht zuletzt viele griechische Schulen.

Mittlerweile will Afrodite Vassilopoulou nicht mehr zurück, sie will in München bleiben. Leicht sei es nicht gewesen, die Balance zwischen den verschiedenen Kulturen zu finden, in denen sie lebt, aber nun fühle sie sich wohl. »Ich habe lange mit mir gekämpft«, sagt sie. In München freut sie sich nun jedes Jahr auf den Frühling, »wenn alles grün wird, dann haben wir eine sehr schöne Stadt« – »wir« sagt sie, es ist nämlich längst auch ihre Stadt.

Artikel vom 19.03.2009
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