Fotografien von William Eggleston im Haus der Kunst

Lehel · Entlarvende Bilder des Alltags

Momentaufnahme von William Eggleston bei seinem Besuch in der Elvis-Villa Graceland 1984. Foto: Eggleston Artistics Trust. Courtesy Cheim & Read, NY

Momentaufnahme von William Eggleston bei seinem Besuch in der Elvis-Villa Graceland 1984. Foto: Eggleston Artistics Trust. Courtesy Cheim & Read, NY

Lehel · Eine umfassende Werkschau des amerikanischen Kultfotografen William Eggleston zeigt das Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, von 20. Februar bis 17. Mai. Die frühen Fotografien von William Eggleston entstanden in Schwarzweiß. Mitte der 60er-Jahre begann er in Farbe zu fotografieren und läutete – nahezu im Alleingang – die Ära der künstlerischen Farbfotografie ein.

Bekannt wurde er 1976 mit einer Einzelausstellung im MoMA. Damals war Egglestons Schnappschussästhektik und der psychologisierende Einsatz von Farbe noch ungewohnt; in einem Jahresrückblick wurde die MoMA-Ausstellung sogar als »The most hated show of the year« bezeichnet. Heute genießt Eggleston bei einer jüngeren Generation von Fotografen und Filmregisseuren international Kultstatus. Die Ausstellung folgt Egglestons künstlerischer Produktion von den frühen Schwarzweißfotografien über seinen bahnbrechenden Übergang zur Farbe bis hin zur Gegenwart. Unter den 160 Exponaten finden sich selten publizierte bzw. gezeigte Werke und sogar Premieren.

William Eggleston lebt noch heute in Memphis, wo er 1939 geboren wurde. Er wuchs in Sumner in Mississippi auf. Die Familie war wohlhabend durch den Besitz von Baumwollplantagen. William Eggleston ging nie einer Erwerbsarbeit nach, sondern konnte sich seinen Interessen widmen: Musik und Fotografie, Film und Adudiotechnik. Er passte sich nicht an gesellschaftliche Regeln an, und währens die Mode seiner Zeit immer informeller wurde, trug er meist einen Anzug. Doch seine seriöse Erscheinung stand zu seinem unkonventionellen Handeln im Widerspruch. Sein Werk spiegelt deutlich, dass er ein frei denkender und agierender Mensch war – »ein Rebell mit dem Aussehen eines Stummfilmstars, der dem Alkohol, Drogen und schönen Frauen zugetan war« (Thomas Weski).

In Motiven des ihn umgebenden Alltags findet Eggleston sein zentrales Thema: Supermärkte, die an urbanen Rändern entstehen; Gehsteige, Einfahrten, Terrassen, polierte Autos, zum Dinner gedeckte Tische, Tankstellen; die Häuser der Mittelklasse, Interieurs von Südstaatenresidenzen; Bars und ihre Stammgäste. Alles, was sich vor der Kamera abspielt, ist grundsätzlich bildwürdig, sei es scheinbar noch so nebensächlich oder banal. Das gefüllte Fach einer Gefriertruhe oder Schuhe unter einem Bett – Eggleston richtet seinen ›demokratischen‹ Blick auf alles und behandelt es mit der gleichen Aufmerksamkeit. Sein Schwerpunkt liegt auf den Schauplätzen seiner Heimat, Memphis, New Orleans und dem Mississippi Delta; doch für Auftragsarbeiten reist er auch rund um die Welt. Mit seiner Hinwendung zum Alltag hebt sich Eggleston deutlich ab von den erhabenen Motiven der Meisterfotografen der Zeit, die sehr langsam und sorgfältig arbeiten mussten, weil ihre Plattenkameras nur vom Stativ aus bedient werden konnten.

Die Werke von damals tonangebenden Fotografen wie Ansel Adams oder Edward Weston zeichneten sich durch strenge Kompostion, meisterhafte Bewältigung der fotografischen Technik und durch die Bearbeitung klassischer Themen – majestätische Landschaften, idealisierende Porträts und Akte – aus. William Eggleston dagegen arbeitet mit unterschiedlichen Kameratypen, vom Keinbild- über das Mittel- bis zu Großformat. Er probiert nach seinem Wechsel zur Farbfotografie auch unterschiedliche Verfahren für die Herstellung aus, dem Abzug in Drugstores über C-prints bis zum dye-transfer-Verfahren.

So vertraut die Motive dem Betracher sind, so sehr entziehen sich Egglestons Serien alltäglicher Szenen einer schnellen und eindeutigen Interpretation. Mit ihrer eigenwilligen Aufnahmeperspektive, dem gewählten Ausschnitt und der subjektiven Farbsteuerung öffnen die Bilder den Weg zu weiteren Assoziationen und Bedeutungen. Durch die Fülle bzw. Überfülle des Warenangebotes etwa, das sich vor Käufer und Konsumenten ausbreitet, entstehen Stimmungsbilder, die durchaus eine Aussage treffen über die Symptome einer Massengesellschaft und die Befindlichkeit des Individuums in dieser Gesellschaft. In vielen seiner Fotografien werden Verlust, Entfremdung, Einsamkeit und Sehnsucht als zeitgenössische Phänomene sichtbar.

Artikel vom 18.02.2009
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