Projekt für Künstler, die von den Nazis verfolgt wurden: Konzert am 30. Oktober

Zentrum · Bisher »unerhörte Musik«

In »Unerhörte Musik« erinnert Wolfram Kastner an die Künstler Dina Marx (Foto), Max Peter Meyer und Hedwig Engelmann. Die von den Nazis abgestempelten Passfotos hat Kastner bearbeitet.	 Foto: mit freundlicher Genehmigung von Wolfram Kastner

In »Unerhörte Musik« erinnert Wolfram Kastner an die Künstler Dina Marx (Foto), Max Peter Meyer und Hedwig Engelmann. Die von den Nazis abgestempelten Passfotos hat Kastner bearbeitet. Foto: mit freundlicher Genehmigung von Wolfram Kastner

Zentrum · Ein Bewegungsmelder löst Musik aus, wenn Passanten über den Sankt-Jakobs-Platz gehen. Die Klänge, die dann aus der dafür errichteten Tonstele zu hören sind, gibt es eigentlich gar nicht mehr. Denn sie stammen von Komponisten, die ab 1933 vom nationalsozialistischen Regime aus Deutschland vertrieben oder ermordet wurden.

Der Künstler Wolfram Kastner und der Historiker Christian Schölzel aus München haben sich auf die Spuren der verfolgten Musiker begeben. Ergebnis ist »Unerhörte Musik«. In Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat haben sie Fragmente aller Art, Ausstellungsstücke, Musik und Hörbeiträge über die verfolgten Musiker in mühevoller Kleinarbeit recherchiert und zusammengetragen.

Ein Konzert im Großen Konzertsaal der Münchner Musikhochschule an der Arcisstraße 12 ist am 30. Oktober um 19 Uhr der Auftakt zur Ausstellung. Der Eintritt ist frei. Bei der Veranstaltung werden unter anderem Werke von Paul Ben-Haim, Klaus Pringsheim, Bruno Walter, Eugen Auerbach, und Walter Braunfels zu hören sein. Vor dem Konzert werden ab 18 Uhr Kastner und Schölzel etwas zum Hintergrund des Projektes im Nord- und Südfoyer der Hochschule erzählen:

In München wirkten viele Musiker, die hier teilweise geboren waren, studiert hatten, unterrichteten, sangen, spielten, dirigierten oder komponierten, bevor sie von den Nazis als Juden ausgegrenzt wurden und ihre Musik verstummen musste. Die Verfolgung mit Berufsverboten, KZ-Haft, Zwangsarbeit, Raub, Deportation, Vertreibung und Mord wirkt bis heute nach, denn von vielen sind weder Fotos, Tonaufnahmen, Kompositionen oder Instrumente zu finden. Von anderen tauchten Kompositionen auf, die in Deutschland nie zu hören waren.

Den Musikern soll mit Ausstellungen und Konzerten sowie den beiden Hörstationen am Gasteig und am Jakobsplatz gedacht werden. Für Kastner und Schölzel ist das Projekt »ein Versuch und zugleich Anstoß, die Verfolgten mit Namen, Porträts und Werken in das kulturelle Bewusstsein der Stadt zurück zu holen und hörbar zu machen«.

106 Namen haben der Künstler und der Historiker recherchiert, seit drei Jahren spielt Kastner mit der Idee. Den Ausschlag, sie zu verwirklichen, gab die Münchner Musikhochschule. An die hatte sich Kastner für seine Recherchen gewandt, »dort konnte mir aber keiner weiterhelfen«, sagt Kastner. »Atemberaubend« fand er diese »kulturelle Gedächtnislücke«. »Die Hochschule hat ihren Sitz im ehemaligen Führerbunker und trotzdem weiß keiner, was damals passiert ist.« Und so begaben sich Kastner und Schölzel auf die Spur.

Fündig geworden sind sie etwa in Zürich. Dort stießen sie auf den gesamten Nachlass des Komponisten und Dirigenten Max Ettinger. »Wir haben mit Bleistift geschriebene Partituren gefunden«, erzählt Kastner. Über andere Verfolgte kam bei den Recherchen der beiden Münchner weiteres Material zum Vorschein: Kompositionen, Porträtfotos, von manchen auch nur ein Pass mit Hakenkreuz. »Die Nazis wollten diese Menschen spurlos auslöschen«, sagt Kastner. »Wenn alle Vertriebenen in München hätten weiterstudieren können, hätten wir jetzt eine Menge mehr großer Komponisten.«

Die Musikhochschule ist jedenfalls dabei, ihre kulturelle Gedächtnislücke zu schließen: eine Ausstellung im Lichthof zeigt bis 31. Dezember (Montag bis Freitag, 7.30 bis 1 Uhr; Samstag/Sonntag, 9 bis 20 Uhr) Überraschungen und Impressionen dessen, was musikalisch in München hätte sein können.

Kirsten Ossoinig

Artikel vom 14.10.2008
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