Dirigent Julius Karr-Bertoli ist seit Jahrzehnten für die Musik unterwegs

Au · Der globale Taktstock

Souvenirs aus fast allen Ländern zieren die Wände der Karr-Bertolis. 	Foto: ko

Souvenirs aus fast allen Ländern zieren die Wände der Karr-Bertolis. Foto: ko

Au · »Puck« ist immer dabei. Der kleine, zirka zehn Zentimeter große Kunststoffzwerg begleitet den Dirigenten Professor Julius Karr-Bertoli und seine Frau Charlotte als Talisman auf ihre vielen Reisen. »Wenn Puck reden könnte, hätte er viel zu erzählen«, sagt Charlotte Karr-Bertoli. Und zwar von aufregenden Erlebnissen, die dem Ehepaar während Besuchen in über 50 Ländern widerfahren sind.

In Kirgisien trägt Julius Karr-Bertoli den Titel Ehren-Professor und in Panama wurde er zum Ehren-Dirigenten ernannt.

»Manchmal wundere ich mich selbst, wie es dazu kam, in so vielen Ländern dirigieren zu können«, sagt Karr-Bertoli. Internationale Botschaften und Kulturinstitute haben seit den fünfziger Jahren seine Auftritte auf fast allen Kontinenten der Erde angeregt. Die Musik ist der Dreh- und Angelpunkt im Leben Karr-Bertolis und wird es immer bleiben. Schostakowitsch, Mozart und Dvorak hat er besonders gerne dirigiert. Bis heute sorgt einer der großen Komponisten bei dem mittlerweile 88-jährigen Dirigenten jeden Morgen für einen guten Start: »Wenn ich meinen Tag mit Mozart beginne, ist sehr viel gewonnen.« Für den Ohrenschmaus sorgt im Haushalt Karr-Bertolis ein Österreicher, für die Fitness ein Heimtrainer. Denn: Dirigieren ist anstrengend, sowohl geistig als auch körperlich. Daher radelt Karr-Bertoli morgens zirka sieben Kilometer auf dem Fitnessgerät im heimischen Badezimmer. Und die sechs Stockwerke zur Dachterrassenwohnung in der Au werden ebenfalls zu Fuß bewältigt. Der Dirigent möchte nämlich bis zum Ende des Jahres wieder am Notenpult stehen und Konzerte geben. Und da ist körperliche Fitness gefragt. „»Ich fühle mich geistig und körperlich in Form, kleine körperliche Probleme hindern mich nicht«, sagt er.

Denn wenn er klassische Musik im Radio oder im Fernsehen hört, bekommt Karr-Bertoli ganz oft präsentiert, »wie man es nicht machen soll«. Mit seinem Können will er hier vorbeugen. Außerdem ist der Dirigent in Sachen Musik für alles offen, auch wenn er kein großer Jazzfan ist: »Ich sehe den Wert schon, aber Jazz liegt mir nicht so.« Anders sieht es in Sachen Rockmusik aus: »Warum nicht? Zuzuhören macht mir Spaß, wenn Rock in seiner Art gut präsentiert wird.« Und verschmitzt fügt er hinzu: »Ich selbst muss es ja nicht spielen.« Koffer packen für die Reisen unter anderem nach Russland, Polen, die Ukraine, USA, Taiwan, China, Italien und Mazedonien gehört nicht zu Karr-Bertolis Stärken. Das übernimmt seine Frau Charlotte, die früher als Konzertsängerin unter dem Künstlernamen Carla Carelli aufgetreten ist.

Die beiden haben sich bei einem gemeinsamen Auftritt kennengelernt und sind seit 1957 verheiratet. Geboren ist Julius Karr-Bertoli in München. Sein Dirigenten-Debüt hatte er 1939 am Prinzregententheater mit »Peer Gynt« von Edvard Grieg, noch vor dem offiziellen Abschluss seines Kapellmeisterstudiums von 1934 bis 1940 an der Akademie der Tonkunst im Münchner Odeon. 1942 wurde er Opernkapellmeister in Dortmund. Nach dem Tod seiner ersten Frau, die bei einem Bombenangriff ums Leben kam, ging Karr-Bertoli zurück nach München.

1949 heiratete Karr-Bertoli zum zweiten Mal, 1950 kam Tochter Julia zur Welt. Absoluter Höhepunkt im Leben Karr-Bertolis sind die Konzerte mit der Leningrader Philharmonie während einer großen Tournee durch die Sowjetunion. Disziplin war und ist das A und O für den 88-Jährigen. Drei bis vier Stunden sitzt er täglich noch an seinem Flügel. ko

Artikel vom 23.09.2008
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