Diskussion um Zukunft der Ganztagsbetreuung für Grundschüler im Hasenbergl

Hasenbergl · Was macht Schule gerecht?

Tanzende Hasen auf dem Hasenbergl – für die Kinder des Sprengels ist die Grundschule an der Thelottstraße attraktiv. Warum nicht auch darüber hinaus, findet Schulleiterin Beatrix Daumenlang.	Foto: em

Tanzende Hasen auf dem Hasenbergl – für die Kinder des Sprengels ist die Grundschule an der Thelottstraße attraktiv. Warum nicht auch darüber hinaus, findet Schulleiterin Beatrix Daumenlang. Foto: em

Hasenbergl · Es geht um Kinder und deren Zukunft. Um eine Schule, die in ihrer Benachteiligung eine Herausforderung erkennt. Lehrer, die aus Idealismus mehr arbeiten. Eine Schulleiterin, die neben ihrer täglichen Arbeit einen dicken Ordner zusammenstellt, um aufzuzeigen, mit welchen Mitteln ihre Schule Kindern, die sonst keine faire Chance bekommen, so etwas wie »Bildungsgerechtigkeit« geben kann. Und es geht um – Wahlkampf.

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Bis zu 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Thelottstraße haben einen Migrationshintergrund. Im Sprengel der Schule kann man beim Bäcker, beim Supermarkt, beim Gemüsehändler aus der fernen Heimat einkaufen, ohne ein Wort deutsch zu sprechen. Einmal wöchentlich gibt es einen Basar. Was es kaum gibt, sind Freunde mit Deutsch als Muttersprache. Auch für die Kinder mit Deutsch als Muttersprache.

»Bildungsfern« nennen Politiker ein solches Umfeld. Das Schulreferat der Stadt München hat 2004 ein Konzept entwickelt, wie aus Grundschulen mit Tagesheim-Angebot, zu denen die Thelott-Schule gehört, echte Ganztagsschulen werden können. Erstmals für das Schuljahr 2005/06 hat das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus drei solcher »Innovativer Projektschulen« (IPS) als Schulversuch mit begrenzter Klassenzahl in München genehmigt – darunter die Thelottstraße.

Seitdem gilt jedes Schuljahr für eine weitere Klasse mit Schulanfängern, dass sie die Grundschulzeit hindurch ganztags betreut wird. »Rhythmisiert«, das heißt mit Unterricht und sozialpädagogischen Freizeit-Angeboten im Wechsel, sowohl vormittags als auch nachmittags. Die Klasse bleibt den ganzen Tag zusammen. Das Kultusministerium übernimmt dabei die Kosten für drei zusätzliche Lehrerstunden pro Woche, die Landeshauptstadt alle weiteren Aufwendungen, darunter das sozialpädagogische Fachpersonal und die Bereitstellung der Infrastruktur.

Die bisherigen Erfahrungen an allen drei Modellschulen werden von allen Beteiligten einhellig als so positiv beurteilt, dass die Stadt München im vergangenen Jahr beim Kultusministerium dafür plädierte, den »Versuch« auf mehr Grundschulen auszuweiten. Das Kultusministerium lehnte ab. Stattdessen bietet es seit dem nun zu Ende gegangenen Schuljahr bayernweit den Grundschulen ein eigenes Ganztagsmodell an.

Es kostet insgesamt weniger, da die »Freizeit«-Betreuung nicht von sozialpädagogischen Fachkräften übernommen werden soll, sondern von Honorarkräften, für die bis zu 3.000 Euro pro Schuljahr zur Verfügung gestellt werden, und vor allem von Vereinen und Ehrenamtlichen. Doch gerade Schüler wie die der Thelottschule brauchen qualifizierte Fachkräfte, die ihnen helfen, ihre Defizite auszugleichen.

Auf lokaler Ebene, im Bezirksausschuss (BA) Feldmoching-Hasenbergl, sehen das auch die Mitglieder der CSU so. Deshalb wollen sie, ebenso wie die SPD-Mehrheit, dass an der Thelottstraße das IPS-Projekt ausgeweitet wird. Naheliegend also, dass der Bezirksausschuss fraktionsübergreifend einen Antrag an die Stadt stellt, sich beim Kultusministerium nochmal um eine IPS-Ausweitung zu bemühen, in diesem Falle speziell an der Thelottschule.

So war es auch geplant. Vor der BA-Sitzung am 29. Juli (wir berichteten auf den Stadtteilseiten) liefen die Telefondrähte zwischen den Beteiligten heiß, um sich abzustimmen. Doch kurz vor der Sitzung kam es zum Eklat – beide Seiten bestanden auf Inhalten ihrer Version des Antrags. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass die CSU von einem eigenen »Schulmodell IPS Hasenbergl« spricht. Sie will grundsätzliche Überlegungen der Rektorin für ihre Schule als modellhaft für das Hasenbergl mit dem Antrag verknüpfen, während die SPD zunächst bereits mit Schuljahresbeginn im September das existierende städtische IPS-Angebot auf mehr Klassen ausdehnen will.

Weiterführende Überlegungen für die Zukunft sollen nach den Plänen der SPD mit einer eigens zu schaffenden Expertengruppe beraten werden. Damit aber zeigte sich die CSU nicht einverstanden. So scheiterte ein fraktionsübergreifender Antrag. Es roch nach Landtagswahlkampf während der daraus resultierenden Wortgefechte.

Im Ergebnis beantragt der BA zunächst bei der Stadt, ihrerseits beim Kultusministerium nochmal auf Ausweitung des städtischen IPS-Modells an der Thelottstraße zu drängen – möglichst noch für den September. »Wichtig ist die fachkundige sozialpädagogische Betreuung unserer Kinder – dafür brauchen wir weiter unser IPS-Modell und nicht das des Kultusministeriums, das die Kinder zum Beispiel durch Vereine betreuen will«, betont Beatrix Daumenlang, Schulleiterin an der Thelottstraße. Ihre weiterführenden Überlegungen für »ihre« Kinder will sie als Diskussionsgrundlage verstanden wissen, nicht als Forderungen für das in wenigen Wochen beginnende Schuljahr. »Ich habe keine ›conditio sine qua non‹«, bekräftigt Daumenlang noch einmal, dass sie keine Bedingungen für das künftige Konzept der Schule stellt – aber eine Sache steht doch fest für sie: »IPS muss bleiben, damit die große Überschrift ›Bildungsgerechtigkeit‹ mittelfristig mal irgendwie berechtigt ist!«

Doch um gegebenenfalls schon im September zwei und nicht nur, wie bisher geplant, eine erste IPS-Klasse einrichten zu können, hält sie eine Auflösung des für sie geltenden Schulsprengels für nötig. »Sonst hätten wir wahrscheinlich erstmal gar nicht genug Schüler, weil einige unserer Eltern die im Vergleich zum Tagesheim striktere Anwesenheitspflicht scheuen. Wenn wir uns aber als sprengelübergreifende IPS-Schule mit hochwertiger Ganztagsbetreuung positionieren, hätten zum einen auch andere Eltern die Möglichkeit, dieses pädagogische Angebot anzunehmen, und zum anderen bildeten unsere Schüler sozial und muttersprachlich eine andere Mischung.«

Eine Sprengelauflösung hält Stadträtin Diana Stachowitz (SPD), Sprecherin des Schul- und Sportausschusses, auf Nachfrage der Münchener Nord-Rundschau für schwierig, verweist aber auf die Möglichkeit von Gastschulanträgen. »Der Wunsch nach einer qualifizierten Ganztagsbetreuung ist auf jeden Fall immer ein Grund, einem solchen Antrag zuzustimmen«, verspricht sie. Doch erstmal müsste das bayerische Kultusministerium Zusagen für die Ausweitung und den Erhalt des IPS-Projekts machen. Eva Mäkler

Artikel vom 12.08.2008
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