Inge Hovenbitzer ist tief mit ihrem Stadtteil verwurzelt

Moosacher Originale

Inge Hovenbitzer mit Enkelin Selina und einem Moosacher Anzeiger aus dem Jahr 1953.	 Foto: wei

Inge Hovenbitzer mit Enkelin Selina und einem Moosacher Anzeiger aus dem Jahr 1953. Foto: wei

Moosach · In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge Moosacher Urgesteine vor. Wenn Inge Hovenbitzer auf ihr Stadtviertel und das dort Erlebte zu sprechen kommt, ist ihr deutlich anzumerken, dass Moosach für sie mehr ist als nur ein Wohnort. Kein Wunder – als wahres Moosacher Urgestein verknüpft die 69-Jährige eine Menge Erinnerungen mit ihrem Viertel, positive wie auch negative.

Negative Ereignisse musste die Moosacherin des Jahrgangs 1938 schon in ihrer Kindheit erleben, denn die war geprägt von den Wirren des Zweiten Weltkrieges. So hatte sie ihren Vater lange nicht kennengelernt, da er als Soldat an der Front eingesetzt war. Im Jahr 1943 überlebte Hovenbitzer einen Bombenangriff auf den Moosacher Kindergarten, der damals in der Schule an der Leipziger Straße untergebracht war. »Zum Glück gab es keine Opfer«, erinnert sich Hovenbitzer, die das Erlebnis noch lange beschäftigte.

Ein weiterer Bombentreffer beschädigte das Haus in der Haylerstraße 24, in der die Familie gelebt hatte dermaßen stark, dass die Familie ausziehen musste. So wohnte Inge Hovenbitzer mit ihrer Mutter ab dem sechsten Lebensjahr bei ihrer Großmutter in der Abbachstraße.

Im weiteren Kriegsverlauf musste die Familie erneut einen schweren Schlag hinnehmen: Der Vater geriet 1944 in russische Kriegsgefangenschaft und wurde daraufhin von der deutschen Feldgendamerie wegen Fahnenflucht gesucht. »Unser Familienname fand sich plötzlich auf einer schwarzen Liste wieder. Mit dem Maschinengewehr im Anschlag durchsuchten die Feldgendarmen wöchentlich unsere Wohnung. Nachdem meine Mutter eines Tages in der Trambahn einer älteren Jüdin ihren Platz anbot, standen wir sogar kurz vor der Deportation ins KZ Dachau«, erzählt die rüstige Dame heute. Doch soweit kam es nicht. Inge Hovenbitzer und ihre Mutter erlebten das Kriegsende im Moosach. In dieser Zeit stand es schlecht um die damals Neunjährige – sie erkrankte schwer.

Da die medizinische Versorgung in Deutschland katastrophal war, führte sie und ihre Mutter der Weg im Jahr 1948 nach Belgien. Dort kam Hovenbitzer dank des dringend benötigten Penicillins wieder auf die Beine. Den Aufenthalt bezeichnet sie heute als »eine wunderschöne Zeit«. Da sich Mutter und Tochter jedoch nicht legal in Belgien aufgehalten hatten, mussten sie das Land nach eineinhalb Jahren wieder verlassen und kehrten zu ihren Moosacher Wurzeln zurück. Dort lernte sie im Jahr 1950 endlich ihren Vater kennen, der aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war. Bis dahin kannte sie ihn lediglich von Fotos.

Es war der Beginn der friedlichen und schönen Zeit im Leben der Inge Hovenbitzer. Nachdem sie im Jahr 1952 eine kaufmännische Lehre begann, lernte sie 1953 den Mann kennen, den sie vier Jahre später heiratete. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die Inge Hovenbitzer drei Enkel schenkten. Die Jüngste heißt Selina, ist neun Jahre alt und Inge Hovenbitzers größter Stolz. »Sie ist mein Leben. Ich möchte sie nicht mehr missen«, schwärmt die Oma von ihrer Enkelin.

Seit dem Aufenthalt in Belgien ist Hovenbitzer nie mehr aus »ihrem Moosach« weggezogen. »Ich bin immer im Umkreis von 300 Metern umgezogen«, witzelt sie. Tatsächlich wechselte Hovenbitzer innerhalb Moosachs insgesamt achtmal die Wohnung, bevor sie sich in ihrem jetzigen Domizil in der Pelkovenstraße niederließ. »Dort bleib’ ich bis zuletzt«, ist sie sich sicher.

Stolz zeigt Inge Hovenbitzer, was sie aus der damaligen Zeit aufgehoben hat. Unter den alten Dokumenten findet sich sogar eine Ausgabe des Moosacher Anzeigers vom 20. November 1953. »Auf den pass ich ganz besonders gut auf», so das Moosacher Urgestein, das noch genauso wie früher jede neue Ausgabe des Moosacher Anzeigers genau »durchfieselt«. wei

Artikel vom 16.05.2007
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