Schön – und schön praktisch: Münchens Hauptsynagoge wird eröffnet

Zentrum · Der neue Jakobsplatz

Der Jakobsplatz wird herausgeputzt. Grafik: Büro Roman Lorenz/clash

Der Jakobsplatz wird herausgeputzt. Grafik: Büro Roman Lorenz/clash

Zentrum · Der Countdown läuft: In wenigen Stunden kehrt Münchens jüdische Gemeinde ins Herz der Stadt zurück, aus dem sie während des Dritten Reichs vertrieben wurde. Am morgigen Donnerstag, 9. November, dem Gedenktag an die Reichskristallnacht, wird die neue Hauptsynagoge am Jakobsplatz mit einem Festakt und Grußworten von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet. »An diesem Tag wird eine Zeitenwende eingeläutet«, ist Marian Offman überzeugt, Vize-Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG).

Offman ist gleichzeitig Stadtrat in München – und war somit an vielen Fronten mit der zehnjährigen Planung der 57 Millionen Euro teuren Gestaltung des Jakobsplatzes beschäftigt, auf dem neben der Synagoge ein Gemeindezentrum sowie ein Jüdisches Museum entstehen. Das Museum soll am 22. März 2007, das Gemeindezentrum im Sommer seine Pforten öffnen.

Einen ersten Eindruck bekommt man am Sonntag, den 12. November: Dann führt die IKG bei einem »Tag der Begegnung« Interessierte durch das fast vollendete Gemeindezentrum sowie die Synagoge. Das Gotteshaus, das vom Architekturbüro »Wandel Hoefer Lorch« gestaltet wurde, besteht aus zwei markanten Teilen: Der Sockel mit seiner Natursteinfassade symbolisiert den »Zweiten Tempel Jerusalems«, der im 1. Jahrhundert von den Römern zerstört wurde. Der zwölf Meter hohe Glaskubus mit dem darüber gespannten Bronzenetz steht für ein Zelt, das an die 40-jährige Wüstenwanderung des israelischen Volkes erinnert. »Die Architektur der Synagoge wird weltweit beispielgebend sein«, glaubt Offman.

Der durchsichtige Kubus soll wie der ganze Platz Offenheit ausstrahlen – ein Anliegen, das trotz der für jüdische Gebäude unverzichtbaren Schutzmaßnahmen verwirklicht wird: Denn die Sicherheitsvorrichtungen sollen dezent daherkommen, der Jakobsplatz soll vielmehr mit vielen Bäumen, Bänken und einem brunnenartigen Wassertisch ein Ort der Begegnung für alle Bürger werden.

Insgesamt manifestiert sich in dem Neubau die Renaissance, die das Münchner Judentum in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat: Auf 9.000 Mitglieder ist die Gemeinde mittlerweile wieder angewachsen – damit ist sie in etwa so groß wie vor der Machtübernahme der Nazis. Im Juni 1938 war die Synagoge an der Maxburgstraße der braunen Zerstörungswut zum Opfer gefallen.

Den Toten des Holocausts wird im unterirdischen »Gang der Erinnerung« gedacht, der die neue Synagoge mit dem Gemeindehaus verbindet. In diesem Gang befindet sich eine Glasplatte, in welche die Namen aller 4.300 ermordeten Münchner Juden graviert sind.

Nach 1945 wurde die Synagoge an der Reichenbachstraße zum Zentrum der Münchner Juden. Jene ist von den Nationalsozialisten verschont geblieben, weil ein Brand auf benachbarte Gebäude hätte übergreifen können. Die alte Synagoge hatte zwei Nachteile: Einerseits strahlte sie »eine gewisse Hinterhofatmosphäre« aus, wie Offman findet, andererseits waren die anderen Einrichtungen des jüdischen Lebens in alle Winde verstreut.

Am Jakobsplatz ist nun alles Wichtige vereint: Die Gemeindeverwaltung, eine Kindertagesstätte, eine Ganztagsgrundschule, ein Jugend- und Kulturzentrum und auch ein koscheres Restaurant. Somit hat der Neubau für die Münchner Juden nicht nur symbolischen, sondern auch ganz praktischen Wert. Martin Hoffmann

Artikel vom 07.11.2006
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