Monacensia: Ausstellung zu Ehren der großen Literatin

Ricarda Huch vergessen?

Bogenhausen · Zwischen 1900 und 1927 war die große, 1864 in Braunschweig geborene und 1947 in Schönberg im Taunus gestorbene, deutsche Schriftstellerin Ricarda Huch eine

Thomas Mann hat sie einmal "die erste Frau Deutschlands" genannt. Es war also hoch an der Zeit, dass sie in München einmal wieder vorgestellt und entsprechend gewürdigt wurde. Der Verein für Fraueninteressen mit seiner rührigen Vorsitzenden Dr. Hildegard Kronawitter brachte sich mit der Sonntags-Matinèe "Die Welt ist nicht wie ein Kieselstein ­ Ricarda Huch ­ Dichterin, Schriftstellerin, Historikerin" in das Programm der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung "Der Traum vom Schreiben ­ Schriftstellerinnen in München (1860 bis 1960)" ein, die derzeit und noch bis zum 27. April 2001 in der Monacensia gezeigt wird.

Die Hamburger Schriftstellerin und Huch-Biographin Cordula Koepcke entwarf ein lebendiges und faktenreiches Lebensbild der Autorin, die mit ihren Gedichten, historischen Romanen, aber auch mit ihren kulturpolitischen Äußerungen zu den wichtigsten literarischen Gestalten des Deutschland der Jahrhundertwende und der Zeit der beiden Weltkriege zählte.

Heidy Forster vom Bayerischen Staatsschauspiel bereicherte den Vormittag durch ihre wirkungsvolle Präsentation von Texten, die beim aufmerksamen Publikum den Wunsch erweckten, einmal wieder in den Werken Ricarda Huchs zu stöbern und längst vergessene Schätze zu heben. Einen höchst bemerkenswerten und wie für die aktuelle Diskussion über die "Leitkultur" in Deutschland passenden Brief schrieb Ricarda Huch am 9. April 1933 aus Heidelberg an den Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin, Max von Schillings:

"Lassen Sie mich zuerst danken für das warme Interesse, das Sie an meinem Verbleiben in der Akademie nehmen. Es liegt mir daran, Ihnen verständlich zu machen, warum ich Ihrem Wunsche nicht entsprechen kann. Dass ein Deutscher deutsch empfindet, möchte ich fast für selbstverständlich halten; aber was deutsch ist und wie Deutschtum sich betätigen soll, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Was die jetzige Regierung als nationale Gesinnung vorschreibt, ist nicht mein Deutschtum. Die Zentralisierung, den Zwang, die brutalen Methoden, die Diffamierung Andersdenkender, das prahlerische Selbstlob halte ich für undeutsch und unheilvoll. Bei einer so sehr von der staatlich vorgeschriebenen Meinung abweichenden Auffassung halte ich es für unmöglich, in einer staatlichen Akademie zu bleiben. Sie sagen, die mir von der Akademie vorgelegte Erklärung werde mich nicht an der freien Meinungsäußerung hindern. Abgesehen davon, dass eine loyale Mitarbeit an den satzungsgemäß der Akademie zufallenden nationalen kulturellen Aufgaben im Sinne der veränderten geschichtlichen Lage eine Übereinstimmung mit dem Programm der Regierung erfordert, die bei mir nicht vorhanden ist, würde ich keine Zeitung oder Zeitschrift finden, die eine oppositionelle Meinung druckte. Da bliebe das Recht der freien Meinungsäußerung in der Theorie stecken.

Sie erwähnen die Herren Heinrich Mann und Dr. Döblin. Es ist wahr, dass ich mit Herrn Heinrich Mann nicht übereinstimmte, mit Herrn Dr. Döblin tat ich es nicht immer, aber doch in manchen Dingen. Jedenfalls möchte ich wünschen, dass alle nichtjüdischen Deutschen so gewissenhaft suchten, das Richtige zu erkennen und zu tun, so offen, ehrlich und anständig wären, wie ich ihn immer gefunden habe. Meiner Ansicht nach konnte er angesichts der Judenhetze nicht anders handeln, als er getan hat. Dass mein Verlassen der Akademie keine Sympathiekundgebung für die genannten Herren ist, trotz der besonderen Achtung und Sympathie, die ich für Dr. Döblin empfinde, wird jeder wissen, der mich persönlich oder aus meinen Büchern kennt. Hiermit erkläre ich meinen Austritt aus der Akademie".

Die Veranstalterinnen Dr. Hildegard Kronawitter und Dr. Elisabeth Tworek, Leiterin der Monacensia, bedankten sich zu recht bei Cordula Koepcke und Heidy Forster für einen sehr gelungenen und lebhaft beklatschten literarischen Vormittag. N. F.

Artikel vom 28.12.2000
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