In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Stadt-Bewohner:

Er zieht die Fäden im Hintergrund: Siegfried Böhmke leitet das Münchner Marionettentheater. Foto: kas

Er zieht die Fäden im Hintergrund: Siegfried Böhmke leitet das Münchner Marionettentheater. Foto: kas

Altstadt · Siegfried Böhmke war noch ein Kind, als sich ihm zum ersten Mal diese fremde Welt auftat, die ihn bis heute nicht losgelassen hat: Die Welt der Puppen. Seither hat er mit dem Spielen nicht mehr aufgehört: Böhmke ist Herr über ein kleines Reich aus Marionetten, Stab- und Handpuppen. Seit fünf Jahren leitet er das »Münchner Marionettentheater« in der Blumenstraße 32.

Seine Leidenschaft hat er als kleiner Zuschauer in diesem über hundertjährigen Puppentheater entdeckt. Bereits mit 12 Jahren stieg Böhmke als jüngster Spieler ins Ensemble des »Münchner Marionettentheaters« ein. Unter der Leitung seines Vorgängers, Franz Leonhard Schadt, der das Theater 43 Jahre lang führte, machte Böhmke seine ersten Schritte als Marionettenspieler.

Nach der Schule lernte er auf Anraten des Vaters aber erst einmal »etwas Vernünftiges« und eignete sich als Schaufenstergestalter nützliche handwerkliche Fähigkeiten an. Doch vielleicht waren die Schaufensterpuppen zu statisch, kein Passant applaudierte für eine liebevolle Dekoration; Böhmke jedenfalls zog es nach der Ausbildung zurück ans Theater.

Mit knapp zwanzig Jahren kam er wieder zum ältesten feststehenden Marionettentheater Europas. Dort arbeitete er 13 Jahre lang als fester Mitarbeiter. Danach folgten Wanderjahre als selbstständiger Marionettenspieler. Mit seiner Truppe, den »Münchner Puppenspielern«, trat er in Grundschulen und dem Münchner Stadtmuseum auf und entwickelte zahlreiche eigene Stücke.

Und dann wurde für Böhmke ein Puppenspieler-Traum wahr: Jim Henson, der Erfinder der Muppetshow, suchte für eine neue Kindersendung deutsche Spieler. In Kooperation mit dem ZDF entstand die Sendung »Fraggles« und Böhmke spielte in allen Folgen zwei der Hauptfiguren. Das Puppenspiel entwickelte sich weiter – und mit Aufkommen des Privatfernsehens wurden auch mehr erfahrene Puppenspieler fürs Kinderprogramm gebraucht. So spielte Böhmke die Puppe Gustav Sommer im ZDF-Sommerprogramm, die Bino-Maus aus der Tele5-Sendung »Bim Bam Bino« und acht Jahre lang die Puppe Vampy für RTL2. Ihren Ruhestand genießen die Fernsehpuppen heute in Böhmkes kleinem Büro im »Münchner Marionettentheater«.

Fotos an der Wand zeigen Böhmke im Kreise seiner Puppenkollegen. Hier befindet sich die Schaltzentrale des kleinen Theaters, das Böhmke seit 2000 leitet.

»Um dieses Haus zu führen muss man es unendlich lieben und seine Kundschaft kennen«, sagt er und erklärt damit auch, warum er an diese Position berufen wurde. »Die Schwierigkeit besteht darin, die Gratwanderung zwischen Tradition und Innovation zu meistern.« Böhmke schafft das, indem er sowohl traditionelles Marionettentheater mit Live-Sprechern auf den Spielplan setzt, als auch alle Formen des modernen Puppenspiels mit Hand- und Stabpuppen sowie echten Schauspielern auf der Bühne.

Eine Lieblingspuppe hat Böhmke übrigens nicht. Wie ein guter Vater liebt er alle seine Puppenkinder gleich und widmet sich immer der Figur am meisten, die er gerade spielt. Kathrin Sauerborn

Artikel vom 18.01.2006
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