In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Bogenhausen · Stadt-Menschen

Von A bis Bazi – seit 16 Jahren ordnet Anthony Rowley die bairische Sprache. Jetzt erscheint Band 1. Foto: nan

Von A bis Bazi – seit 16 Jahren ordnet Anthony Rowley die bairische Sprache. Jetzt erscheint Band 1. Foto: nan

Bogenhausen · Bazis, Bier und Bulldogs sind das täglich Brot für Anthony Rowley: Seit 16 Jahren arbeitet der britische Dialektforscher für die Bayerische Akademie der Wissenschaften am »Bayerischen Wörterbuch«. Auf die Frage, warum gerade er als oberster Hüter des Bairischen angestellt ist, antwortet er: »Die werden sich eben beim Vorstellungsgespräch gedacht haben: ‚Hauptsach’, es is koa Preiß’.«

Band 1 des Wörterbuchs »Von A bis Bazi« haben der 52-Jährige und seine Kollegen nach sieben Jahren Arbeit nun fertig gestellt. Den Erscheinungstermin des letzten Bandes von »... bis Zypresse« aber dürfte Rowley nur schwerlich erleben: Erst in 55 Jahren wird jener voraussichtlich fertig sein. Kein Problem für den Briten: »Es ist klar, dass all dies kein Einzelner schreiben kann. Ich freue mich über alles, was ich aktiv gestalte.«

Gerade der nächste Band wird sehr umfangreich ausfallen: »In das ‚B’ bauen wir alle ‚P’-Wörter mit ein. Die ‚Bl’- und ‚Br’-Begriffe werden die aufwändigsten sein.« Abgeschlossen wird Band 2 erst, wenn die Forscher hinter den Buchstaben »C« kommen, zu »Christ« oder »Chrysam«. »Bis dahin brauchen wir noch rund sieben Jahre. Wenn ich in den Ruhestand gehe, stecken wir vermutlich mittendrin in ‚E’ oder ‚F’«, schätzt Rowley, der das »R« besser rollt als mancher gebürtige Bayer.

Was das Vorgehen so langwierig macht, ist der wissenschaftliche Anspruch ans Projekt: Die Forscher nähern sich den Begriffen, indem sie Dialektsprecher anschreiben – Mitglieder von Heimatvereinen und Stammtischen, Lehrer oder Austragsbäuerinnen beispielsweise. Parallel dazu überprüfen sie Wortsammlungen aus Archiven und der Mundartliteratur. Sie erfahren dabei, in welchem Sachkontext der Begriff verwendet wird. Oft kommen hunderte von verschiedenen Informationen zusammen. Die wichtigsten packt Rowley in einen Artikel und fügt diesem die Quellen, die Verbreitung, typische Dialekt-Sätze, manchmal auch eine Karte bei.

Sprache hat es dem Briten schon immer angetan: »Schon als Kind habe ich den englischen Dialekt Tyke gepflegt, als Germanistik-Student beschäftigte ich mich mehr mit Sprache als mit Literatur«, erzählt er. »Promoviert habe ich in Regensburg über das Fersentalerische, eine altertümliche deutsche Sprachinsel in Oberitalien, und danach erstellte ich eine Grammatik der oberpfälzischen Dialekte.«

Dass das Bairische in einer »Playboy«-Umfrage zum erotischsten Dialekt Deutschlands gewählt wurde, ist für den Wissenschaftler nicht weiter verwunderlich: »Spricht man von Hamburg oder Berlin, dann schwingt immer eine Großstadt mit. München wird da nicht recht registriert – da denkt man an Urlaub, Landleben, Freiheit, das Fensterln und Naturburschen in Lederhosen, welche ja als besonders potent gelten. Alles sexy Klischees«, sagt er.

Mit »Servus« verabschiedet sich Rowley übrigens selten: Damit begrüße man gute Spezln, außerdem sei der Begriff »neudeutsch«. Rowley, der es wissen muss, sagt lieber »Pfia God« oder »Pfiat eana«. »Das können Sie übrigens schreiben, wie Sie wollen«, verrät er. »Es gibt keine bairische Rechtschreibung.« Nadine Nöhmaier

Artikel vom 21.07.2005
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