In Moosach wurde über das Erstarken des Rechtsextremismus diskutiert

Moosach · »Wir brauchen Erinnerung«

Der KZ-Überlebende Ernst Grube und Moderator Christian Schiffer haben mit dem Publikum heftig über Rechtsextremismus diskutiert.	Foto: maho

Der KZ-Überlebende Ernst Grube und Moderator Christian Schiffer haben mit dem Publikum heftig über Rechtsextremismus diskutiert. Foto: maho

Moosach · Nach den jüngsten Wahlerfolgen der Rechtsextremen und dem NPD-Eklat im sächsischen Landtag bewegt vor allem eine Frage die Öffentlichkeit: Wie geht man um mit den Meinungsäußerungen, die vom rechten Rand in den demokratischen Alltag schwappen? Dass dies nicht nur eine akademische Frage ist, zeigte die Veranstaltung »Hilflos gegen Neonazis?« im Moosacher Alten- und Service-Zentrum.

Die von der Moosacher SPD initiierte Diskussionsrunde am vergangenen Dienstag, 1. März, war ein Musterbeispiel dafür, wie schnell eine Debatte über Rechtsradikale ausufert und mit Emotionen aufgeladen wird. Am Ende mündete das aufgeheizte Wortgefecht sogar in einem NPD-Eklat »en miniature«.

Was war geschehen? Nach einem Vortrag von Ernst Grube, einem Überlebenden des KZ Theresienstadt, diskutierte der 72-Jährige mit den Zuhörern, wie man heutzutage Flagge gegen rechtsextreme Tendenzen zeigen kann. Am Ende meldete sich ein älterer Herr zu Wort: Er verteidigte die NPD in dem Punkt, dass die Partei das Andenken an die Opfer der Bombenangriffe hochhalte – und stieß damit auf völliges Unverständnis: Es kam zu einer hitzigen Debatte, bei der mehrere Zuhörer empört aus dem Raum gingen.

Grube erwiderte, dass »niemand Verständnis für die NPD haben sollte«. Er bezeichnete die Behauptung, dass das Leid der Bombenopfer in Deutschland nicht thematisiert werde, als »fundamentale Lüge der Rechtsextremen«. Auch die Moosacher SPD-Vorsitzende Kathrin Koop verwahrte sich dagegen, die Luftangriffe aus dem historischen Kontext zu reißen und geißelte die Instrumentalisierung der Bombenopfer durch die Nationaldemokraten als »politische Rattenfängerei«. Als der Zuhörer darauf antworten wollte, zog Diskussionsleiter Christian Schiffer, der früher Chef der Münchner Jusos war, die Notbremse und beendete die Debatte.

Der umstrittene Diskutant verließ daraufhin verärgert den Saal. Bei all dem Trubel geriet der Mann, um den es in der Diskussionsrunde eigentlich gehen sollte, ein wenig zur Randfigur. Dabei hatte Ernst Grube zuvor eindringlich gegen genau diese Relativierung der deutschen Verbrechen angeredet. Grube, der den erkrankten Max Mannheimer – ebenfalls ein Holocaust-Überlebender – vertrat, meinte jedoch auch, dass es ihn nicht überrasche, dass nach so langer Zeit das Gespür für die NS-Zeit ein Stück weit verloren gegangen sei.

Gerade deshalb sei es wichtig, dass das Gedenken an die Opfer des Holocaust aufrechterhalten bleibe – auch und vor allem, wenn gerade kein historischer Gedenktag anstehe: »Was wir brauchen, ist eine echte Erinnerungskultur«. Am Ende äußerte Grube die Hoffnung, dass er seine Zuhörer bald wieder sehe – wenn am 2. April gegen den geplanten Neonazi-Aufmarsch in der Innenstadt demonstriert wird. maho

Artikel vom 03.03.2005
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