Finanzielle Ausbeutung im Alter: Neuer Verein »Licht in Sicht« will helfen

Extrem hohe Dunkelziffer

»Licht in Sicht« stellte sich der Öffentlichkeit am Freitag im Theatersaal am Mariahilfplatz vor. Gert Kaiser ist der Vorsitzende des Vereins.	Foto: ta

»Licht in Sicht« stellte sich der Öffentlichkeit am Freitag im Theatersaal am Mariahilfplatz vor. Gert Kaiser ist der Vorsitzende des Vereins. Foto: ta

Au-Haidhausen · Ältere Menschen, die falschen Freunden ihre Finanzen anvertraut haben und betrogen wurden, dürfen auf Hilfe hoffen: »Licht in Sicht« bietet ab jetzt Unterstützung für diejenigen, die von Erbschleichern und Raffgierigen um ihr Vermögen gebracht wurden.

Der gemeinnützige Verein, der sich am Freitag, 17. September, im Theatersaal am Mariahilfplatz der Öffentlichkeit präsentierte, möchte älteren Menschen Hilfestellung geben, die – ob wissentlich oder nicht – ihr Vermögen an vermeintliche Freunde verloren haben oder denen die finanzielle Ausbeutung droht.

Zum Beispiel Hermine E. (74). Die Bogenhausenerin kämpft schon seit Monaten vor Gericht. Ihr ganzes Vermögen und die Eigentumswohnung hat sie einer Frau übertragen, die sich das Vertrauen von Hermine E. erschlichen hatte. Von ihr erhoffte sich die Mittsiebzigerin lebenslange Pflege und Freundschaft. Doch die Beschenkte hat sich mitsamt dem Geld zurückgezogen – rund 690.000 Euro Streitwert.

Nach dem Tod ihres langjährig pflegebedürftigen Mannes war Hermine E. dankbar für jede Zuwendung, vertraute ihrer neuen Freundin blind. Heute ist sich die Rentnerin sicher: Zu dieser Zeit war sie nicht geschäftsfähig.

Einsamkeit hatte sich im Leben von Hermine E. breit gemacht. Dazu gesellte sich die Ungewissheit, einmal nicht mehr für sich selbst sorgen zu können. Diese Ängste, von einer scheinbar Wohlwollenden geschickt geschürt, wurden zum Nährboden für den finanziellen Ruin der Rentnerin. Jetzt kämpft sie vor Gericht um ihr Vermögen, denn geblieben ist ihr nur ihre Rente. In knapp drei Wochen steht fest, ob ihre Klage, die über staatliche Prozesskostenhilfe finanziert wird, Erfolg hat.

Gut stehen die Chancen allerdings nicht, denn die Geschäftsunfähigkeit kann nach drei Jahren voraussichtlich nicht mehr objektiv durch Sachverständige nachgewiesen werden. »Da steht Aussage gegen Aussage«, erklärt ihr Anwalt Markus Rieder. Manche Senioren fassten zu leicht Vertrauen und stellten dann Generalvollmachten aus, die Banken oft nicht skeptisch genug hinterfragten. Da sich sowas aber meist unter vier Augen abspiele, sei die Dunkelziffer sehr hoch, meint Rieder.

Dieser Ansicht ist auch Christine Engl, Leiterin des ASZ Haidhausen, die sich nur an einen ähnlichen Fall erinnern kann. Martin Feichtenbeiner, Leiter des ASZ Bogenhausen, an gar keinen.

»Dass falsche Freunde oder auch Bekannte und Verwandte die Abhängigkeit älterer Menschen ausnutzen und sie mit psychologischem Druck oder gar Erpressung um ihr Erspartes bringen, dieses Phänomen nimmt seit ein paar Jahren massiv zu, hat Gert Kaiser, der Vorsitzende von »Licht in Sicht« und Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes, beobachtet. »Licht in Sicht« will nun helfen, dass es gar nicht bis zum Äußersten kommt. »Dabei geht es weniger darum, verlorene Erbschaften wieder zu beschaffen. Wir wollen dieses Thema in das öffentliche Bewusstsein bringen – nicht nur bei Senioren oder Angehörigen, auch bei Nachbarn.«

Mittelfristig will der Verein mit der Stadt zusammenarbeiten und ein Netzwerk von Vertrauenspersonen aus verschiedenen Bereichen aufbauen: etwa zwischen Behörden, Rechtsanwaltskanzleien. Zu erreichen ist der Verein in der Anton-Meindl-Straße 5a, 81245 München, Telefon 83 92 84 93. Michaela Schmid

Artikel vom 22.09.2004
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