Ausstellung der Geschichtswerkstatt Auer Mühlbach

Lebensader und Freizeitoase

Au · Am Dienstag nach Kirchweih ist die Au zu meiden. Diesen Rat bekam jedenfalls derjenige, der sich um diese Zeit in die Nähe des Wirtshauses »Zum Neudecker Garten« wagte. Die Gastwirtschaft samt Schießstätte galt vor Jahrhunderten ansonsten als Ort der »Gemüts-Ergötzung« im Schatten hundertjähriger Bäume bei würzehaltigem Bier und prächtigen Forellen, die man sich selbst aus Behältern herausfischen konnte.

Doch einmal im Jahr war hier »Betteltanz« und am Ende waren »Alle so toll und voll, dass man auf dem Brückchen zum Neudeck über besinnungslose Betrunkene steigen musste, wie im Schlachtfelde über Leichen«, so der Chronist.

Solche und ähnliche interessante Geschichten und Kuriositäten rund um den Auer Mühlbach erfahren Spaziergänger derzeit so nebenbei bei der neuen Ausstellung entlang des Stadtflüsschens (bis 18. Juli). Die Entwicklung des Stadtviertels Au-Haidhausen ist über die Jahrhunderte hinweg eng mit der Geschichte des Auer Mühlbaches verknüpft. Der Bach hat seine Umgebung geprägt und wurde seinerseits von dieser stark geprägt.

Etwa ein Dutzend Bürgerinnen und Bürger aus der Au haben dazu monatelang recherchiert – ehrenamtlich, in ihrer Freizeit. Die Arbeit hat sich gelohnt: herausgekommen ist eine besondere Ausstellung direkt am Ort des Geschehens, am Auer Mühlbach rund um den Neudeck.

Wo sich etwa heute die Polizeiinspektion Au befindet, war noch bis 1985 die Bayerische Landesimpfanstalt. Um 1800 war hier die erste zentrale Impfanstalt im Königreich Bayern entstanden. Die Pocken galten damals als Volksseuche und so führte Bayern als erster deutscher Staat die Pockenschutzimpfung ein – vollzogen wurde sie in der Au auf dem nördlichen Zipfel einer vom Auer Mühlbach und Auer Fehlbach umgebenen Insel. Zur Schicksalsnacht für die Au wurde das Inferno am Mariahilfplatz vor 60 Jahren.

In der Nacht vom 24. bis 25. April 1944 wurde München vom bis dahin schwersten Fliegerangriff heimgesucht. Dabei kam es zu einem Missgeschick. Markierungsflugzeuge, die das Zielgebiet, die Innenstadt, mit Leuchtbomben erhellen sollten, fielen wegen eines Ausweichmanövers zu weit östlich auf die rechte Seite der Isar. Unter anderem auf die Au. Dabei wurden die Mariahilfkirche und die Schule schwer beschädigt, die Krämerstraße mit ihren Herbergen wurde vollkommen zerstört und verschwand damit aus dem Stadtviertel.

Dies und mehr wird auf informativen Tafeln anschaulich ausgewogen in Text und Bild lebendig. Schwerpunkt sind die Au um 1812 und die Au zwischen 1940 und 1950 – zu entdecken gemächlich schlendernd von Tafel zu Tafel. Anhand historischer Abbildungen und Fotos kann man den Zustand vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten mit der Gegenwart vergleichen, während der Auer Mühlbach wie eh und je irgendwie ungerührt an einem vorbeiströmt...

Michaela Schmid

Artikel vom 30.06.2004
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