Straftaten statt harmloser Scherze: Polizei Au ist in der »Freinacht« wachsam

Wo Brauchtum aufhört...

Au-Haidhausen · Unmengen von Klopapier um Autos oder Türklinken voller Ketchup, Senf oder Rasierschaum – in der »Freinacht« von 30. April auf 1. Mai sind solche Scherze, was man auch immer davon halten mag, durchaus erlaubt. Doch der Spaß hört da auf, wo die Straftat anfängt.

»Keiner kann sich da mit Brauchtum herausreden«, betont Thomas Kuhn, Leiter der Polizeiinspektion (PI 21) Au-Haidhausen.

Für die Polizei ist das ein Abend wie jeder andere auch, meint Kuhn: vergangenes Jahr gab es im Bezirk Au-Haidhausen fünf Einsätze mit Freinacht-Bezug, aber keine Anzeige. Stadtweit musste die Feuerwehr 13 zumeist kleinere Feuer in Mülleimern löschen. Gesamtschaden: 2500 Euro. Doch trotzdem werden am kommenden Freitag auch die Beamten der PI 21 zwischen Au, Haidhausen und auch rund um die Feierareale Kultfabrik und Optimolgelände verstärkt ein wachsames Auge auf potenzielle Übeltäter werfen und kontrollieren: etwa nach dicken Filzstiften oder Silvesterkrachern.

Denn die Grenze zwischen Schabernack und Sachbeschädigung ist schnell überschritten: die »Freinacht« wird nämlich gern mal als eine Art Freibrief zu Vandalismus verstanden. Doch wer mutwillig das Eigentum anderer Menschen beschädigt und Gefahrenstellen schafft, macht sich strafbar. Ob Beschmieren von Gebäudewänden, Abdecken von Verkehrszeichen, Ausheben von Gullydeckeln, Errichten von Barrieren über Fahrbahnen, Rad- oder Gehwegen, Verkleben von Türschlössern, Besprühen von Autos mit Farblacken, Demontieren von Straßenbeleuchtung oder Minifeuerwerk in Mülltonnen – da kennt die Polizei kein Pardon und es droht eine Anzeige.

Die Ursprünge der Freinacht liegen übrigens nicht in alten Hexenkulten, sondern haben mit dem alten Musterungstermin am ersten Mai zu tun, erklärt der Verein für Heimatpflege unter www.heimat-bayern.de. Vor dem Eintritt in den Militärdienst bot sich hier für die jungen Männer noch einmal die Gelegenheit zu ausgelassenen Streichen, bevor für sie der »Ernst des Lebens« in den Kasernen begann.

Die Freinacht war in der Vergangenheit den ledigen Burschen vorbehalten, die sich einen Spaß daraus machten, Gartentüren und -tore auszuhängen und woanders zu deponieren oder Blumentröge, Hausbänke, nicht abgeschlossene Fahrräder usw. zu »verziehen« oder mit Gartenmöbeln aus diversen Vorgärten neue Ensembles auf dem Kirch- oder Dorfplatz zu gestalten. Sehr beliebt war es auch, eine »Spur« von »ihm« zu »ihr« zu legen.

Entweder verwendete man dafür Sägemehl oder malte als Verbindung zwischen den beiden Häusern einen weißen Farbstrich auf die Straße, der oft weit über den 1. Mai hinaus hielt. Manchmal nutzten die Jugendlichen die Freinacht auch, um Ereignisse aus dem Gemeindeleben oder die verantwortlichen Lokalpolitiker zu karikieren. So wurden an den Rathäusern Transparente mit frechen Versen angebracht. Doch losgelöst von jedem kulturgeschichtlichen Kontext, so Dr. Gabriele Wolff, vom Münchner Institut für Volkskunde, reduzieren sich heutzutage diese Aktionen manchmal auf bloße Zerstörungswut, »gepaart mit Halbwissen um einen ›guten alten Brauch‹.« Michaela Schmid

Artikel vom 28.04.2004
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