Moosacher lernen PISA lesen / Diskussion im Stadtteil

Kinder im Schul-Spagat?

Moosach · Von vielen Moosacher Lehrern, Eltern und Stadtteilpolitikern besucht war die Diskussion der SPD Moosach über die Ergebnisse der PISA-Studie.

Sie alle sorgen sich um die Zukunft der Moosacher Kinder. Sie engagieren sich und bemühen sich. Aber sie erfahren auch die Lecks in unserem Erziehungssystem. Doch der Referent des Abends, Lehrer und Sprecher der bayrischen Bildungsgewerkschaft GEW Jonas Lanig, weiß Abhilfe, sogar mit wenig Aufwand: »Zwei Drittel meiner Verbesserungsvorschläge sind ohne finanziellen Mehraufwand zu realisieren.«

Lanig hat PISA im Original studiert. Der Gymnasiallehrer schätzt es, wie die 15-jährigen Schüler in den 32 Ländern untersucht wurden: »Schließlich wurde sie von der OECD, der renommierten Wirtschaftsorganisation für Zusammenarbeit und Entwicklung, erstellt und zwar umfassend und statistisch sauber.

Als Wirtschaftsorganisation fragte die OECD vor allem danach, was junge Menschen später im Alltag und im Beruf brauchen. Und wie dieses Wissen erworben wird, in der Schule, zuhause, durch Hobbys, mit oder ohne Druck.«

Lanig vergleicht Deutschland gern mit Schweden, »denn deren Gesellschaft ist genauso aufgebaut wie unsere.« Damit hört die Vergleichbarkeit aber auf: »Die Schweden landen im internationalen Lese-Vergleich auf dem vierten Platz. Die guten deutschen Schüler lesen und verstehen Texte immerhin so gut wie die englischen, aber die 23 % der schlechten entziffern so mühsam wie die Gleichaltrigen in Brasilien.« Sie sind daher nur für einfachste Berufe geeignet. Denn Lesen braucht man für alles.

Wer hier scheitert, der scheitert auch in Mathematik und den Naturwissenschaften. Ein Moosacher folgerte daraus: »Hier kommt eine soziale Katastrophe auf uns zu. Diese deutschen Schüler werden in unserer Industriegesellschaft nicht für sich sorgen können.« »Das ist das erschütternde Ergebnis der Studie«, berichtete der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. »In keinem anderen Land der Welt gibt es so wenig Chancengleichheit wie bei uns. Der soziale Abstand zwischen den besten und den schlechtesten Schülern spreizt sich bei uns so weit auseinander wie nirgends sonst. Denn wir trennen zu früh und zu scharf.

Die PISA-Statistik beweist. Es besteht ein dramatisch enger Zusammenhang zwischen der erreichten Schulart und dem Leistungsergebnis. Und die Schulart hängt in Deutschland entscheidend von Herkunft und Einkommen der Eltern ab.«

Bezirksausschussvorsitzende Johanna Salzhuber bestätigte: »Nicht zufällig wünschen sich engagierte Eltern verzweifelt eine weiterführende Schule für ihr Kind. Denn das Image der Hauptschule ist schlecht. Auf ihre Besserung muss unser Hauptaugenmerk gerichtet bleiben.« Für Pfarrer Wolfgang von Andrian, der an einer Moos-acher Hauptschule Religion lehrt, bedeutet die Aufwertung der Hauptschule eine Frage, die die ganze Gesellschaft angeht. Und eine Moosacher Gymnasiallehrerin bestätigte: »Die Konflikte zwischen den Schülern werden immer schärfer.«

»Dabei kann Lernen einfach sein«, machte der Lehrexperte Lanig Mut. »Unterschiedlichkeit regt an: Verschiedene und verschieden gute Kinder lernen besser von einander. Zwölf Länder, die in PISA Deutschland überflügeln, nutzen diese Erkenntnis. Sie geben lange keine Noten und lassen ihre Schüler einfach nicht durchfallen; damit erhalten sie auch den Klassenverband.

Diese Länder leisten sich längere Schulzeiten, in denen einfallsreicher, lerntechnischer, methodisch aufwändiger unterrichtet werden kann, als bei uns mit unserem zusammengepressten Vormittagsunterricht. PISA hat uns viele Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.«

Artikel vom 19.06.2002
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