Auf Entdeckungsreise

Jede Menge zu entdecken in den Städten und Gemeinden

Der Autor und Pflanzenkenner Jonas Frei nimmt die Leser mit auf eine Reise durch die Pflanzenwelt der Städte. Bild re.: Die Pyramiden-Glockenblume kann eine Höhe von über 1,80 Meter erreichen. Hier kann man wahrlich sein Blaues Wunder erleben. F: J. Frei

Der Autor und Pflanzenkenner Jonas Frei nimmt die Leser mit auf eine Reise durch die Pflanzenwelt der Städte. Bild re.: Die Pyramiden-Glockenblume kann eine Höhe von über 1,80 Meter erreichen. Hier kann man wahrlich sein Blaues Wunder erleben. F: J. Frei

Bayern/München · Der Autor Jonas Frei ist ein Entdecker. Er sucht auf seinen Spaziergängen und Wanderungen durch die Stadt allerdings nicht Gold und Geld, sondern hält Ausschau nach seltenen und nicht so seltenen Pflanzen. Wer denkt, dass es in der Stadt außer Geranien in Blumenkästen nichts zu entdecken gibt, der kann sich von Jonas Frei eines Besseren belehren lassen.

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In 52 Stadtspaziergängen zeigt er auf, wie vielfältig die Flora in den Städten ist und wie anpassungsfähig die Natur ist, wenn es gilt, auch unwirtliche Lebensräume für sich zu entdecken und zu erobern. Unbeachtet von der Masse wächst so manche Rarität am Straßenrand oder bahnt sich seinen Weg durch die ein oder andere Straßenfuge. Über seine Entdeckungen hat Jonas Frei ein Buch geschrieben: "Stadt Wild Pflanzen", das im atVerlag erschienen ist. Reich bebildert öffnet er Pflanzenfreunden und solchen, die es werden wollen, die Augen für die Schönheit vor der Haustüre. Wir haben mit dem Autor über seine Passion gesprochen.

Woher stammt Ihre Liebe zur Natur?

Jonas Frei: Dieses Interesse begleitete mich schon lange. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe schon als Kind viel Zeit in der Natur verbracht. Als Jugendlicher habe ich erste Herbarien angelegt und meine Begegnungen mit Insekten, Vögeln oder Jungfüchsen mit einer Filmkamera festgehalten, habe Pflanzen fotografiert und Sammlungen angelegt. Diese Projekte haben mir viele Türen geöffnet für meine spätere Arbeit als Naturfilmer beim Fernsehen, als Landschaftsarchitekt oder heute als Autor. Das faszinierende an der Natur ist für mich der unendliche Formenschatz des Natürlichen, die Ähnlichkeit und Unterschiede zwischen den Lebewesen. Kurz: die Biodiversität. Das lässt sich gut mit gestalterischen Projekten verbinden. Sei es im Film, in der Landschaftsarchitektur, der Fotografie, in Illustrationen oder Buchprojekten.

Woher kennen Sie all' diese Pflanzen?

Jonas Frei: Die Faszination und Begeisterung für die Pflanzen sind beste Begleiter, wenn man Arten lernen will. Gute Bestimmungsliteratur hilft weiter, vor allem die Zeit draußen in Wiesen, an Wegböschungen, im Wald oder mitten in der Stadt. Das Anlegen von Herbarien, das Skizzieren von Pflanzen und die Fotografie sind gute Wege zum Verinnerlichen der pflanzlichen Vielfalt. Die Kombination mit dem kreativen Prozess des Zeichnens hilft, auch auf feinste Details zu achten. Wer den Blick dafür entwickelt hat, erkennt schnell, wenn am Wegrand eine Pflanze steht, die ungewöhnlich ist.

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu gestalten?

Jonas Frei: Die Geschichte der mitteleuropäischen Landschaft und die Anpassung der Tier- und Pflanzenarten an die stark vom Menschen geprägte Kulturlandschaft fasziniert mich seit meinem Landschaftsarchitektur-Studium. Als ich vor einigen Jahren vom Land in die Stadt gezogen bin, habe ich nicht schlecht gestaunt. Seltene Pflanzen wachsen hier an vielbefahrenen Straßen, in Baumscheiben und Pflasterfugen. Darunter Arten, die in den Landwirtschaftszonen derart selten geworden sind, dass ich sie vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Und das an Stellen, die täglich von hunderten, manchmal tausenden Passantinnen und Passanten frequentiert werden.

Über die Jahre habe ich gesammelt: Literatur, Herbarbelege, habe in Skizzen und Fotografien meine Entdeckungen festgehalten. Ich habe die Ferien genutzt, in weitere Städte zu reisen und ihre Floren zu vergleichen. Es gibt Pflanzenarten, die kommen mit dem Klima Städte bestens zurecht und bilden eine spezifische Stadtflora. Die enorme Resilienz der Stadtpflanzen fasziniert mich immer wieder; aus kleinsten Ritzen im Belag blühen sie uns entgegen, in einer grauen Welt, die von uns Menschen gestaltete wurde, um die Vegetation zu unterdrücken. Die Essenz dieser Recherchen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, wurde zur Motivation für das Buchprojekt.

Was empfehlen Sie Menschen, die sich ihrerseits auf den Weg machen wollen, um die Pflanzen ihrer Stadt zu entdecken?

Jonas Frei: Spannende Pflanzen finden wir in der Stadt oft gleich vor der Haustür. Auf dem Weg zur Arbeit oder an den Gleisfeldern des Bahnhofs, beim Stadtspaziergang über unverfugte Plattenbeläge, auf einer Baubrache oder an einer verwilderten Ecke im Stadtpark. Der Vorteil der Stadtflora liegt gerade in ihrer guten Erreichbarkeit im Alltag. Für viele Naturphänomene müssen wir weit reisen, um sie zu erleben. Stadtpflanzen entdecken kann man überall, sobald man den Blick dafür entwickelt hat.

Was kann man tun, um die Städte grüner zu machen?

Jonas Frei: Um die Wildpflanzen in den Städten zu fördern, müssen wir sie wahrnehmen und ihren Wert wieder erkennen. Viele Mitteleuropäische Städte werden «kahlgepflegt», die Fugenflora wird als optische Störung empfunden. Wildpflanzen werden als Unkraut wo immer möglich abgebrannt, vergiftet, mechanisch entfernt. Im Rasen eines Parks oder Vorgartens darf kein Klee und keine Braunelle blühen, keine Hirse wachsen. Diesen Ordnungssinn hat schon mancher botanischen Rarität die Existenz gekostet. Die botanisch spannendsten Ecken finden wir meistens da, wo alte Beläge das Pflanzenwachstum in Fugen und Rissen zulassen, wo eine ungenutzte Fläche nicht zum feinen Rasen gepflegt wird, sondern etwas verwildern darf. Was die intensive Pflege angeht, ist oft weniger mehr. Es braucht etwas Mut, den strikten Ordnungssinn zu hinterfragen, aber es lohnt sich; die Natur hat ihre eigene Ordnung, und die Artenvielfalt kommt immer mehr die Stadt zurück, wenn wir sie lassen.

Gibt es bei Ihren Rundgängen auch immer mal wieder Überraschungen im Pflanzenbereich, sprich Pflanzen, die Sie nicht kennen?

Jonas Frei: Natürlich! Das ist das faszinierende am Thema. Die Stadtflora ist extrem veränderlich und entwickelt sich mit der menschlichen Nutzung. Sie ist auch ein Zeuge der Globalisierung und klimatischen Veränderung. Hier bei uns konnte ich einige Arten nachweisen, die neu sind für die Schweiz, fast alle davon stammen aus dem mediterranen Raum, sind also wärmeliebend und mögen das Stadtklima. Manchmal reicht schon die Zeit des Wartens auf den Anschlusszug für eine persönliche botanische Neuentdeckung. In München habe ich vor einigen Jahren an den Geleisen des Hauptbahnhofs die gelbblühende, Schlanke Karde entdeckt, die dort rege von Hummeln besucht wird. Sie wächst an sonnigen, stark vom Menschen geprägten Standorten. Etwa auf Baubrachen oder am Rand von Gleisfeldern. In München hat die Art einen Verbreitungsschwerpunkt in Mitteleuropa gebildet, das Stadtklima behagt ihr. In ländlichen Regionen Bayerns ist sie viel seltener. Und in der Schweiz gibt es bisher nur wenige Fundmeldungen.

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Artikel vom 25.03.2022
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