Buch über Fritz Brandt, Ludwig II. und den Pfauenwagen

Bayern · Des Königs Techniker

König Ludwig II. hinterließ Schlösser wie Herrenchiemsee. Doch nicht alle seine Ideen waren umsetzbar. Foto: sd/gem

König Ludwig II. hinterließ Schlösser wie Herrenchiemsee. Doch nicht alle seine Ideen waren umsetzbar. Foto: sd/gem

Bayern/München · Kein anderer bayerischer Monarch ist noch heute so präsent und beliebt wie König Ludwig II. (1845-1886). Die Popularität des Herrschers ist dabei weniger seinen politischen Fähigkeiten als vielmehr seinem Kunstsinn geschuldet. Während Ludwig Schlösser wie Neuschwanstein oder Herrenchiemsee hinterließ, stellten sich andere Projekte als nicht machbar heraus.

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Von den vielen Dingen, die Ludwig sich in den Kopf setzte, dürfte das eines der ungewöhnlichsten gewesen sein: Mit einem Luftschiff in Form eines Pfauenwagens wollte der exzentrische Herrscher vom Schloss Hohenschwangau zum über einen Kilometer entfernten Alpsee fliegen – um 1870, als Luftschiffe zwar schon bekannt, aber noch nicht verbreitet waren. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte die Ära der Luftfahrt beginnen, mit dem Zeppelin als Aushängeschild.

Der Mann, der Ludwig seinen futuristischen Traum erfüllen sollte, war Fritz Brandt, ein aus Darmstadt stammender Bühnentechniker. Er hatte gemeinsam mit seinem Bruder Carl eine Inszenierung der Oper "Oberon" ausgestattet, in der ein fliegender Pfauenwagen vorkommt.

Der König wohnte der Aufführung – damals bühnentechnisch eine Sensation – bei und träumte fortan von einem echten Pfauenwagen. Was nachvollziehbar klingt, sei Historikern bislang nicht bekannt gewesen, meint Sebastian Kuboth. Der Pforzheimer Autor hat im Eigenverlag ein Buch mit dem Titel "Fritz Brandt, König Ludwig II. und der Pfauenwagen" veröffentlicht, das sich mit der Biographie des Bühnentechnikers Fritz Brandt (1846-1927) befasst und dabei auf dessen selbst verfasste Lebenserinnerungen zurückgreift.

Bemerkenswert ist, dass Kuboth im September 2021 zufällig auf das Manuskript gestoßen war. "Ich sammle alte Tagebücher und Briefe, deswegen habe ich auch diese Lebenserinnerungen aufgekauft", erzählt Kuboth. "Mir war nicht bekannt, worum es geht. Es hieß nur, dass es die Erinnerungen eines Geheimen Hofraths aus Berlin sind, der am Theater tätig war. Als ich dann drübergeschaut, von der Anwesenheit eines Königs bei einer Vorstellung gelesen und gemerkt habe, dass es sich tatsächlich um König Ludwig II. handelt, war ich sofort begeistert."

Zufällig auf Manuskript gestoßen

Kuboths Recherchen ergaben, dass er wirklich die Memoiren jenes Fritz Brandt erworben hatte, den König Ludwig II. mit dem Pfauenwagen beauftragte – da auch sein Neffe Fritz Brandt hieß und Bühnentechniker war, besteht Verwechslungsgefahr. Sieben Nächte arbeitete der Autor daran, das fast 70.000 Worte starke Manuskript abzutippen. Dazu kam die Recherche mithilfe von Fachliteratur und das Schreiben von Rahmenkapiteln, bis nach einem guten Vierteljahr Arbeit ein fertiges Buch vorlag.

"In dieser Zeit hatte ich mehrere Telefonate mit dem Technik- und König-Ludwig-Experten Jean Louis Schlim", erläutert Kuboth. "Er hat mir klargemacht, wieviel neue Erkenntnisse in diesem Text stecken." Neben dem Ursprung des Pfauenwagens sei zum Beispiel bisher unbekannt gewesen, dass im Neuen Wintergarten mit Batterien gearbeitet wurde.

In dem heute nicht mehr erhaltenen Wintergarten, einem laut Beschreibungen regelrechtem "Garten Eden" auf dem Dach der Münchner Residenz, sollte Fritz Brandt einen künstlichen Mond und einen künstlichen Regenbogen installieren sowie Wasser auf einem großen Wandgemälde als "echt" erscheinen lassen. Der König sei von den Ergebnissen begeistert gewesen, berichtet Sebastian Kuboth, dem an Ludwig II. vor allem die Aura fasziniert, die ihn bis heute umgibt. "Damals war er aus der Zeit gefallen, heute wäre er wohl absolut zeitgemäß", glaubt der Autor. "In 3D- und virtuellen Welten hätte er sicher seine Freude gehabt. Man kann ihn nicht richtig greifen, er ist eine regelrechte Ikone. Die Faszination, die von Ludwig und seinen Visionen ausgeht, begeistert Menschen auf der ganzen Welt."

Die freundschaftliche Beziehung zwischen König Ludwig II. und Fritz Brandt begann im Herbst 1869, als der junge Herrscher den am Münchner Hof- und Nationaltheater tätigen Brandt zu sich nach Linderhof kommen ließ. "Ludwig hat nur wenige enge Vertraute um sich herum gehabt und solche Kontakte gesucht", meint Kuboth. "Mir scheint es aber so, dass es immer zweckgebunden war. Ich glaube, dass der König die Freundschaft zu Fritz Brandt suchte, weil er technisch vieles umsetzen konnte. Das durfte nicht in der großen Öffentlichkeit geschehen, weil der König befürchtet hat, dass seine Ideen und die damit verbundenen Unkosten auf negative Gegenreaktionen stoßen."

Wie aus Briefen zwischen Ludwig II. und Fritz Brandt hervorgeht – einige Abschriften sind in Kuboths Buch zu lesen – hatte die beiden einen guten Draht zueinander, wenn es um Kunst, Kultur oder Weltanschauung ging. Die enge Freundschaft hielt aber nur knapp anderthalb Jahre, dann ließ der König den Bühnentechniker fallen, erklärt Sebastian Kuboth: "Fritz Brandt hatte Ärger mit dem Indentanten des Nationaltheaters und wollte, dass der König das klärt. Der hat das einfach auf sich beruhen lassen und seitdem den Kontakt zu Brandt gemieden."

Erst 1883 blühte die Freundschaft neu auf. Fritz Brandt war da schon lange in Berlin tätig, wo er als erster in Deutschland mit künstlichem Licht auf Theaterbühnen arbeitete. König Ludwig II. ließ bald darauf am Nationaltheater in München künstliches Licht installieren.

Eine Gondel mit Gasballon

So manche Fantastereien des "Märchenkönigs" ließ Fritz Brandt wahr werden – den fliegenden Pfauenwagen aber nicht. Brand hatte dafür Ende 1869 eine Luftseilbahn geplant: An einem 4000 Fuß (1168 Meter) langen Seil sollte eine Gondel in Pfauenform über den Alpsee gezogen werden, angetrieben durch eine Dampfmaschine.

Damit das Seil nicht zu weit durchhängt, war ein mit der Gondel verbundener Gasballon vorgesehen. Der Architekt Georg Dollmann teilte dem König jedoch in einem ausführlichen Gutachten mit, dass das Stahlseil schon bei einer Länge von 1600 Fuß ohne weitere Belastung reißen würde, das Projekt also nicht umsetzbar war. Später wurde das waghalsige Vorhaben als Indiz für die psychische Krankheit des Königs genutzt.

Am 9. Juni 1886 wurde Ludwig II. entmündigt, sein Onkel Luitpold übernahm als Prinzregent die Regierungsgeschäfte. Nur vier Tage später ertrank Ludwig im Alter von 40 Jahren unter nie ganz geklärten Umständen im Starnberger See.

Fritz Brandt plante und baute noch zahlreiche Bühneneinrichtungen im Deutschen Reich und sogar in London. Er war auch am Bau der 1912 eröffneten Deutschen Oper in Charlottenburg (heute Berlin) beteiligt. Nach 54 Jahren im Beruf ging Brandt in den Ruhestand. Er starb am 21. Oktober 1927 im Alter von 81 Jahren.


Benjamin Schuldt

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Artikel vom 18.02.2022
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