Mahnen statt verherrlichen

Bürgerinitiative will Giesinger Kriegerdenkmal umgestalten

Inschrift und Symbolik des Giesinger Kriegerdenkmals von 1929 erscheinen nicht mehr zeitgemäß. Die Initiative Giesing Denk(t)mal fordert, das Denkmal umzugestalten. Foto: bs

Inschrift und Symbolik des Giesinger Kriegerdenkmals von 1929 erscheinen nicht mehr zeitgemäß. Die Initiative Giesing Denk(t)mal fordert, das Denkmal umzugestalten. Foto: bs

Giesing · Zwei Wochen vor dem ersten Adventssonntag, heuer am 15. November, begeht Deutschland den Volkstrauertag. Um an Kriegstote und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen zu erinnern, legen traditionell Politiker Kränze vor Kriegerdenkmälern nieder.

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Ein solches Kriegerdenkmal steht auch in Giesing an der Heilig-Kreuz-Kirche - zeitgemäß ist es nach Ansicht einer Gruppe engagierter Bürger aber nicht mehr.

"Zu stetem Gedächtnis und in Dankbarkeit den toten Helden von Ober- und Untergiesing. Für Dein Vaterland ließen sie ihr Leben. Sie starben für Dich", steht auf dem grauen, fast vier Meter hohen Steinklotz aus Muschelkalk in Großbuchstaben geschrieben. Aufgestellt worden ist das Giesinger Kriegerdenkmal im Oktober 1929, also elf Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs.

Während auf dem Denkmal ein Stahlhelm ruht und die Bilder christliche Motive zeigen, lässt sich aus dem Text eine gewisse Verherrlichung der blutigen Schlachten herauslesen. "Militaristisch-nationalistische Phrasen" - so benennt es die Initiative Giesing Denk(t)mal. Die Initiative fordert, das Kriegerdenkmal in ein Friedensmahnmal umzuwandeln und hat sich dafür in einem Brief an Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter gewandt.

"Die Stadt dekoriert das Kriegerdenkmal alljährlich mit einem Kranz. Sicher würden Sie auch lieber einen Kranz für ein Friedensdenkmal dort niederlegen", heißt es in dem Brief. "Anstatt Heldentum zu verherrlichen, geht es uns um Frieden und Trauer um die im Krieg Ermordeten." Die mit "Gas, Bomben und Granaten Hingeschlachteten" seien nicht für "irgendein Vaterland, sondern für gnadenlose Kriegsherren und Militärdiktatoren" gestorben.

"Deutschland hat zwei Weltkriege entfesselt und mit beispielloser Kaltblütigkeit unsägliches Leid über unzählige Menschen gebracht. Wir stehen heute für ein friedliches Zusammenleben der Menschen miteinander", führt Sprecher Herbert Dandl, ein promovierter Historiker und Germanist, im Namen der Initiative Giesing Denk(t)mal aus. Neben Mitgliedern des Arbeitskreises Geschichte des Vereins "Freunde Giesings" gehört der Initiative auch Wolfram P. Kastner an. Der Münchner Aktionskünstler greift in seinen Arbeiten oft die NS-Zeit auf. So sengt er jedes Jahr eine "Brandspur" in den Rasen am Königsplatz, um an die Bücherverbrennung zu erinnern.

In dem Brief an den Oberbürgermeister liefert Giesing Denk(t)mal auch gleich Vorschläge mit, wie das Kriegerdenkmal vor der Kirche künftig aussehen könnte: "Für die Umgestaltung haben wir folgende Idee: Dem Denkmal werden an vier Seiten opake Plexiglasscheiben vorgelagert, mit Zitaten für Trauer um die Opfer und der Mahnung zum Frieden in Sichthöhe. Die Scheiben könnten auch getönt sein." Da die militaristischen Texte von 1929 dem "heutigen historischen Wissen und Verständnis" entgegen stünden, sei es zudem dringend, das Denkmal "mit gut sichtbaren Kommentaren und Veränderungen aus heutiger Sicht zu versehen".

Entsprechende Textvorschläge haben die Initiatoren ebenfalls bereits erarbeitet. Neben einem Zitat der im nahe gelegenen Gefängnis Stadelheim hingerichteten Widerstandskämpferin Sophie Scholl halten sie auch eine Inschrift für angemessen, die den Toten gedenkt, ohne dabei den Krieg zu verherrlichen: "Wir trauern um 9,4 Millionen getötete Soldaten und 7,9 Millionen getötete Zivilisten, die weder als Helden noch für ein Vaterland starben, sondern im Weltkrieg 1914/18, der von deutschen Nationalisten und Militaristen menschenverachtend durchgeführt wurde."

Artikel vom 11.11.2020
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