Nostalgie mit Herz und Schnauze im Schwabinger Kultur-Pavillon

Ein Stückchen heile Welt

Schwabing · »Ein Leben ohne Feste gleicht einer weiten Reise ohne Einkehr – deshalb gehe ich so gerne in den Kultur-Pavillon.

Bitte zwei Karten für die nächste Veranstaltung!« – Eine höchst unkonventionelle Form der Platzreservierung, die da heute per Fax bei Monika Eisenhardt eingegangen ist. Doch für die Gründerin und ehrenamtliche Leiterin des Schwabinger Kultur-Pavillons sind solche persönlichen Gesten seitens des Publikums nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel.

Monika Eisenhardts Schwabinger Wohnung ist bis unter die Decke vollgestopft mit schönen Erinnerungen, Fotos, Briefen und Geschenken begeisterter Pavillon-Besucher. Gleich neben der Tür hängt zum Beispiel ein selbstgebastelter Fünfer aus Euro-Münzen. Den hat Stammgast »Ernie« ihr geschenkt. Zum fünfjährigen Jubiläum des Kultur-Pavillons in diesem Jahr, wie Monika Eisenhardt sichtlich gerührt berichtet.

Ihren Lebensunterhalt verdient sich die studierte Architektin und Stadtplanerin zwar derzeit als Management-Assistentin in der Software-Branche. Aber im Grunde lebt sie nur für »ihren« Kultur-Pavillon. Ganz alleine hat sie ihn vor fünf Jahren aus der Taufe gehoben, mit geringsten Mitteln. »Plakate gab es praktisch keine«, erzählt sie. »Und die selbstgeschriebenen Programme, die ich übrigens auch selbst in der ganzen Stadt ausgetragen habe, waren natürlich nicht auf Hochglanzpapier gedruckt und mit Fotos versehen«.

Das ist bis heute so geblieben. Monika Eisenhardt legt keinen Wert auf großes Brimborium. Qualitativ hochwertige Veranstaltungen sind die beste Werbung, findet sie. Und das Publikum gibt ihr Recht: Wenn sie einmal im Monat in den Kultur-Pavillon einlädt, bleibt fast nie ein Platz frei im Bistro St. Ursula, dem »schönsten Wohnzimmer Münchens«, wie es heißt. Hier, in der Herzogstraße 29, residiert der »Schwabinger Kultur-Pavillon« seit etwa 3 Jahren. (Sein erstes Heim hatte er – nicht ganz passend zum Namen – in der Maxvorstadt.)

Weit über Schwabing und sogar über München hinaus hat sich der Pavillon inzwischen ein Stammpublikum aufgebaut – und auch eine »Stamm-Künstlerschaft«. Viele Musiker, Literaten und Kabarettisten fühlen sich hier bereits wie zu Hause: Die Chanson-Sängerin Elke Deuringer zum Beispiel, oder der Liedermacher Hermann Bogenrieder und die Schwabinger Mundart-Dichterin Eva Bergmeier. Doch auch »neue Gesichter« – sowohl vor als auch auf der Bühne - sind jederzeit herzlich willkommen. Schließlich gehört es zu den erklärten Zielen des Pavillons, noch kaum bekannten Künstlern die Möglichkeit zum Auftritt vor einem größeren Publikum zu geben.

»Jede Veranstaltung war bisher ein einzigartiges, unvergessliches Erlebnis für mich«, schwärmt Monika Eisenhardt, während sie in einem ihrer zahllosen Fotoalben blättert. Strahlend erzählt sie von einem »Multi-Kulti-Abend« mit Bauchtanz, Flamenco, schottischer und italienischer Literatur. Und um die exotische Mischung noch komplett zu machen, trat damals ein 6-jähriger Trommler aus Martinique auf. Oft bleibt das Programm des Kultur-Pavillons aber auch in »heimischen Gefilden«. Legendär sind z.B. die »(Alt)schwabinger Abende«, die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wecken: an die Münchner Künstlerszene um die Jahrhundertwende, an Literaten wie Lion Feuchtwanger oder Frank Wedekind.

Aber auch die »Preiß’n« kommen zu Wort: »Wejen Emil seine unanständje Lust«, so das frivole Motto der April-Veranstaltung, die das Berliner »Milljöh« der 20er Jahre »auf dem Kieker« hatte. Und am 18. Mai wartet ein Erich Kästner-Programm auf humorvolle Zuhörer.

Ob Schwabinger Caféhaus- oder Berliner Hinterhof-Atmosphäre: »Nostalgie« wird stets groß geschrieben im Schwabinger Kultur-Pavillon. Das spiegelt sich auch in den Eintrittspreisen und Gagen wider: Wo sonst in München zahlt man noch 8 Euro für ein rund dreistündiges Programm? Außer durch den Eintritt finanziert sich der Kultur-Pavillon ausschließlich durch Zuschüsse des Kulturreferats: derzeit 2.000 Euro pro Jahr. »Das genügt«, sagt Monika Eisenhardt lächelnd. »Ich schöpfe meinen Etat ohnehin nie ganz aus.«

Weitere Informationen und Kartenreservierungen unter Telefon 300 20 19 oder 394997. rme

Artikel vom 25.04.2002
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