Selbstverteidigungskurse gegen Hilflosigkeit in bedrohlichen Situationen

Kinder wehren sich

Treten will gelernt sein. Hier sind es Luftlöcher, aber im Notfall wird ein Angreifer spüren, wie Kinder sich effektiv wehren können.	Foto: cr

Treten will gelernt sein. Hier sind es Luftlöcher, aber im Notfall wird ein Angreifer spüren, wie Kinder sich effektiv wehren können. Foto: cr

Moosach · Freundlich spricht der Mann den an der Bushaltestelle wartenden Buben an. Er kommt näher, streicht ihm über den Kopf und fragt, ob er nicht mitkommen wolle.

Doch der Bub schreit ihn an: »Hau ab! Lass mich in Ruhe!« – Passanten werden aufmerksam. Erschrocken wendet sich der Mann ab, sucht das Weite.

Niemand will, dass sein Kind in eine solche Situation kommt, aber ganz ausschließen kann man es einfach nicht. Dann ist es gut, wenn ein Kind weiß, wie es sich wehren kann. Selbstbewusst sein, eindeutig zeigen: »Ich mag das nicht!«

Lerntherapeutin Nicole Ellwardt und Erzieherin Kerstin Haas bieten in Moosach Selbstverteidigungskurse für Kinder an. Dort lernen diese, wie sie sich gegen Jugendliche wehren können, die sie ärgern oder unter Druck setzen wollen, aber auch gegen Erwachsene, die sie möglicherweise in ihr Auto locken wollen. Durchgeführt werden die Kurse in den Räumen von A.J.'s Aerobic und Fitness. Ein Trainingsraum steht für die Kurse kostenlos zur Verfügung.

Treten und schreien, und dann sofort weglaufen – das lernen die Kinder in dem Kurs. Mit einem gezielten Tritt auf die Kniescheibe oder einem Fausthieb auf die Nase können selbst kleinere Kinder einen Jugendlichen oder Erwachsenen überraschen und kurzzeitig außer Gefecht setzen. Doch die Kleinen werden nicht zu Kampfmaschinen ausgebildet. Sie lernen intensiv, wie sie eine Situation erkennen, in der sie sich wehren müssen. Der siebenjährige Tom hat eine solche Situation schon einmal erlebt: »Ich bin mal von einem Siebtklässler mit einem Messer bedroht worden«, erzählt er. »Der wollte mich nur ärgern«, schiebt er nach. Jeder hätte es wohl verstanden, wenn sich Tom gewehrt hätte.

In Rollenspielen werden solche Vorfälle und die Reaktion darauf geprobt. Und die Kinder haben an sich festgestellt, von wem sie auf welche Weise keinesfalls berührt werden wollen. »Kinder spüren zwar die Unbehaglichkeit, aber sie wissen nicht, dass es Unrecht ist und sie sich wehren müssen«, erklärt Nicole Ellwardt.

»Wie merke ich, dass meine Faust ganz fest geballt ist«, will Kerstin Haas von den Kindern wissen. Die haben genau aufgepasst: »Wenn die Knöchel weiß werden«, rufen Tom, Maximilian, Geray, Jakob und Felix. Und dann holen sie aus, einer nach dem anderen, und verpassen dem Angreifer einen schmerzhaften Schlag auf die Nase – in diesem Fall ein zusammengerollter Schlafsack. Die Nase kann dabei auch zu Bruch gehen.

Schlagen, schreien, und weglaufen – immer wieder wird dieses Ritual wiederholt, damit die Kinder nicht hilflos sind, wenn es drauf ankommt. cr

Artikel vom 27.03.2002
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