Der Mensch braucht Rituale

Die Weihnachtsbotschaft von Pfarrer Martin Cambensy

Pfarrer Martin Cambensy aus der Moosacher St. Martin-Kirche schreibt die Weihnachtsbotschaft für die Leser des Moosacher Anzeigers. Foto: Daniel Mielcarek

Pfarrer Martin Cambensy aus der Moosacher St. Martin-Kirche schreibt die Weihnachtsbotschaft für die Leser des Moosacher Anzeigers. Foto: Daniel Mielcarek

Moosach · Wie haben Sie Weihnachten als Kind gefeiert? Es ist gar nicht so einfach, sich an die frühe Kindheit zu erinnern, aber bestimmt tauchen Bilder auf, Erinnerungen, Gerüche, Klänge, Begegnungen. Und dann ist es doch gar nicht so wenig. Davon möchte ich Ihnen aus meiner Kindheit ein wenig mitteilen.

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Plätzchenbacken: Da gab es immer mal was auszuschlecken oder zu stibitzen. Gerade das Abkratzen des Zuckergusses von fertigen Kuchen war meine Spezialität und hat meine Mutter in Rage gebracht - deshalb wurden die Plätzchen immer bestens vor uns versteckt. Meine Mutter hatte Verwandte in der DDR. Da wurde ein Care-Paket hingeschickt mit Bohnenkaffee, Schokolade etc. Aber kurioserweise kam auch aus der Ostzone ein Carepaket an uns zurück. Eine Cousine meiner Mutter war eine eifrige Parteigenossin und hat der Propaganda des Obergenossen Ulbricht geglaubt, wie dreckig es uns im Westen ginge und dass wir kurz vorm Verhungern wären. Der Inhalt bestand dann aber nicht aus willkommenen Leckereien, sondern aus für uns Kinder absolut wertlosen Deckchen, Strick- und Häckelzeug.

Heiliger Abend - endlich! Wir haben mitgeholfen die Krippe aufzubauen. Die Krippe meiner Eltern, die ich heute noch verwende, besteht aus einer mit Schrägdach zurechtgezimmerten Obststeige - ganz einfach und doch wirkungsvoll. Ein richtiger Stall! Je älter wir wurden, desto mehr Freude machte es allerdings, Verfremdungselemente anzubringen. Da lagen plötzlich Frösche oder Glücksschweinchen in der Krippe. Der Verkündigungsengel trug lässig eine Zigarette zwischen den Fingern. Komikfiguren und Gegenstände aus der Spielzeugeisenbahn wurden zu einem multikulturellen Stelldichein zusammengefügt.

Dann läutete das Glöckchen. Das Christkind war da - der geschmückte Baum mit brennenden Wachslichtern und funkelnden Wunderkerzen. - Der erste verstohlene Blick in den unteren Baumbereich, wo wir die Geschenke vermuten durften. Es folgte alles nach einem immer gleichen Ritual.

Als Ältester durfte ich die Weihnachtsgeschichte vorlesen, was gar nicht so leicht war, weil die Jüngeren immer versuchten, einen zum Lachen zu bringen.

Danach wurde gesungen: „Es ist ein Ros entsprungen“ und „Stille Nacht“. Dann erst gab es die Geschenke, Kinderpunsch, Plätzchen, Stollen und Kletzenbrot bis zum Abwinken. Bald war es aber schon wieder Zeit für die Christmette.

Da machte meine Oma die Kerzen aus - eine Herausforderung. Sie pflegte das mit der Hand zu tun - entweder mit befeuchteten Fingern oder durch bloßes Draufschlagen. Manchmal hat der Baum zum Brennen angefangen, aber es stand immer ein Kübel Wasser parat und die Sache war schnell gelöscht. Dennoch denke ich mit Grauen daran.

Später kam das Sternsingen - sehr aufregend. Wer lässt sich freiwillig als Mohr anmalen? Sind die Leute zuhause? Lassen sie uns rein? Was gibt es als Geschenke?

Bei uns in Moosach gehen sie ja auch bald wieder. Aber, aus eigener Erfahrung eine Bitte: Verschenkt keine Orangen! Kiloweise mussten wir Orangen schleppen - verflucht haben wir sie - wie leicht wäre eine Schokolade gewesen, oder ein paar Dominosteine oder Spekulatius. Aber es war ja sicher gut gemeint.

Ja, wie gesagt, so schön ist Weihnachten - in der Erinnerung und heute. Der Mensch braucht Rituale und er braucht Erlebnisse. Und es ist wichtig, dass wir uns immer wieder davon erzählen! Die Botschaft, dass Gott als kleines Kind zu uns kommt, hat es verdient!

Msgr. Martin Cambensy, Pfarrer in Moosach, St. Martin

Artikel vom 26.12.2018
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