Zwischen Lachen und Weinen

Karl Valentin als Film-Pionier neu zu entdecken: Ausstellung am Isartor

Szenen aus den Filmen von Karl Valentin sind derzeit im Innenhof des Isartors zu sehen. Kleines Foto: Szene aus »Beim Rechtsanwalt«	Fotos: Musäum

Szenen aus den Filmen von Karl Valentin sind derzeit im Innenhof des Isartors zu sehen. Kleines Foto: Szene aus »Beim Rechtsanwalt« Fotos: Musäum

Altstadt · Karl Valentin war nicht nur ein genialer Komiker, Satiriker und Volkssänger, er war auch einer der Pioniere des deutschen Films. Schon sehr früh, um 1911/12, erkannte er, welche Möglichkeiten sich für seine Kunst durch den Film eröffneten.

Er verfilmte nicht nur viele seiner Bühnenprogramme, er ging auch neue Wege des damals neuen Mediums. Er schuf brillante Komödien, aber auch Filme wie »Die Erbschaft«, der auf Grund seiner Sozialsatire von den Nationalsozialisten wegen »Elendstendenzen« verboten wurden. Valentin (1882-1948) arbeitete mit Regisseuren wie Bert Brecht, Erich Engel und Max Ophüls zusammen. Zu entdecken bei einer Ausstellung im Innenhof des Isartors, Im Tal 50: Wetterfest im Freien ist sie im öffentlichen Raum für das Publikum kostenlos zugänglich (bis 9. Oktober 2018).

Zusammengestellt hat die Schau Peter Syr. Zu allen 29 Filmen und einigen Fragmenten haben Syr und Michael Schulte 1978 das Buch Karl Valentins Filme veröffentlicht, das heute als Standardwerk gilt. Peter Syr, der im Buch für die Herausgabe der Originalfotos der Filmsequenzen verantwortlich war, hatte dafür einen besonderen Apparat konstruiert, mit dem er hochwertige Einzelbilder aus der Kopie aufnehmen konnte.

Er zeigt in seiner Ausstellung »Karl Valentins Filme« aus seinen über 1000 Negativen Szenen- und Bewegungsabläufe Karl Valentins in Einzelaufnahmen, die so nur am Schneidetisch erkennbar sind. Das Ausstellungsformat mit einer Fülle an Szenenbildern und erläuternden Texten reflektiert das Schaffen Karl Valentins und Liesl Karlstadts und präsentiert so das umfassende filmische Gesamtwerk Karl Valentins. Er beeinflusste auch die Arbeit von Bert Brecht nachhaltig. Ihr gemeinsamer Film »Mysterien eines Frisiersalons« von 1923 fand einen neuen Stil, den man als absurd-dadaistisch bezeich- nen könnte.

Das Werk ist unter Valentins Stummfilmen auch der Favorit von Sabine Rinberger, Direktorin des Musäums im Isartor. »Da rollen Köpfe und finden auch wieder an den Hals. Völlig skurril.« Ansonsten fällt es ihr schwer, Lieblingsfilme zu nennen: »Eigentlich sind Valentins Filme alle unvergleichlich, wegen ihres philosophischen Wortwitzes wie in ›Die Orchesterprobe‹, der gnadenlosen Schilderung des Alltags einer Ehe im ›Theaterbesuch‹ oder der vermeintlich komischen Darstellung des Elends in ›Die Erbschaft‹, wo einem das Lachen förmlich im Halse stecken bleibt. Manchmal muss man sich nur ausschütten vor Lachen und manchmal weiß man nicht mehr lacht man noch Tränen oder weint man schon über die Tragik.

Das Valentin-Karlstadt-Musäum, das vermutlich münchnerischste aller Museen in der Landeshauptstadt, hat wahrscheinlich jeder Münchner mal besucht. Falls es schon länger her ist, sollte man mal wieder reinschauen, denn es hat sich mit der Zeit verändert. Seit 2008 präsentiert sich das Musäum im neunen Glanz. Das Museum wurde komplett umgebaut, alle Ausstellungen neu konzipiert und gestaltet. Seit Anfang diesen Jahres ist es nun auch ein städtisches Museum. In der Vollversammlung vom 26. Juli 2017 beschloss der Münchner Stadtrat, dass das Valentin-Karlstadt-Musäum zum 1. Januar 2018 ein städtischer Betrieb wird. Was viele nicht wussten: Das Valentin-Karlstadt-Musäum war bis dahin ein privat betriebenes Museum, das seinen Betrieb bis 2016 ausschließlich selbst erwirtschaftete. Die ursprünglich private Sammlung ist der Stadt zwischenzeitlich vererbt worden. Nach dem Tod des Gründers und Betreibers Hannes König und nachdem seine Partnerin und Nachfolgerin Gudrun Köhl 2004 in den Ruhestand gegangen war, beschloss die Stadt München, die zugegeben beinahe valentineske Konstruktion aus Öffentlich (Sammlung und Gebäude sind Eigentum der Stadt) und Privat (Betrieb des Museums) beizubehalten.

Im November 2004 übernahm Sabine Rinberger die Firma und damit die Leitung des »Valentin-Karlstadt-Musäums«. Mit dem Beschluss, das Musäum in einen städtischen Eigenbetrieb umzuwidmen, gab der Stadtrat dem Musäum eine unabhängige Zukunft und viele Versäumnisse der Vergangenheit an Karl Valentin erfahren dadurch eine Wiedergutmachung, so das Musäum.

Seit 1959 beherbergt das Isartor, einst wichtigstes Einlasstor in die Stadt, das Valentin-Karlstadt-Musäum.

Seit 1959 im Isartor

Eine Mischung aus informativen Einheiten und kuriosen Überraschungen präsentiert Leben und Wirken von Karl Valentin und seiner kongenialen Partnerin Liesl Karlstadt. Zeugnis liefern persönliche Gegenstände, Originaldokumente, Fotografien, Postkarten und dem Valentinschen Panoptikum nachempfundene Objekte wie der legendäre Winterzahnstocher sowie zahlreiche Ton- und Filmdokumente. Im Kino werden die Multimediagenies Liesl Karlstadt und Karl Valentin wieder lebendig.

Die Volkssängerausstellung zeigt die Entwicklung der ersten »Popkultur« Münchens. Voraussetzung hierfür war das neue Phänomen Freizeit und das ungestillte Bedürfnis nach Vergnügen, ihren Ursprung findet sie in der Vorstadt, damals Elendsviertel. Ein Stadtplan des Vergnügens gibt einen topografischen Überblick über die Vergnügungsstätten in München. Zur Wiederentdeckung Karl Valentins in den 60er und 70er Jahren lieferte das Valentin-Musäum im Isartor einen zentralen Beitrag. Es verdankt seine Existenz dem großen Engagement des Kunstmalers Hannes König, der selbst noch für Karl Valentin Bühnenbilder fertigte. Mit der tatkräftigen wie finanziellen Hilfe von vielen guten Freunden baute er das kriegszerstörte und nur notdürftig wiederaufgebaute Isartor aus und richtete dort 1959 ein Valentin-Musäum ein.

Der Nachlass von Karl Valentin ging 1953 für 7000 Mark nach Köln und ist heute dort in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung untergebracht. Die Stadt München hatte auf ihr Vorkaufsrecht zuvor verzichtet. Seither pilgern jedes Jahr 50.000 bis 60.000 Besucher, Münchner wie Touristen, dorthin. Es gibt kaum einen Reiseführer über München, der das Valentin-Musäum nicht erwähnt. Sicherlich auch deshalb, weil es im Isartor – dem einzigen Stadttor Münchens, das man auch begehen kann – seinen idealen Ort findet.

Öffnungszeiten: Montag, Dienstag und Donnerstag 11.01-17.29 Uhr, Freitag und Samstag 11.01–17.59 Uhr, Sonntag 10.01–17.59 Uhr, mittwochs geschlossen. Jeden ersten Freitag im Monat Programm und Abendöffnung bis 21.59 Uhr. Eintritt: Erwachsene: 2,99 Euro, Kinder, Schüler, Studenten: 1,99 Euro, Familienkarte 6,99 Euro; Kinder unter 6 Jahren haben freien Eintritt. red

Artikel vom 15.08.2018
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