Ganz wia im richtigen Leben

Schwabing, Polt und die Toten Hosen: Hanns Christian Müller erinnert sich

»Parkplätze waren damals schon ein Problem, da war die Isetta ideal, damit konnte man auch senkrecht einparken«, so Hanns Christian Müller über sein erstes Auto 1967. Im Buch »Sonne für alle« finden sich auch einige Fotos. Fotos: aus »Sonne für alle«

»Parkplätze waren damals schon ein Problem, da war die Isetta ideal, damit konnte man auch senkrecht einparken«, so Hanns Christian Müller über sein erstes Auto 1967. Im Buch »Sonne für alle« finden sich auch einige Fotos. Fotos: aus »Sonne für alle«

Schwabing · »Des is as Beste von der ganzen Gans«. Mit diesen aufmunternden Worten wird der kleine Hanns Christian Müller an Weihnachten Anfang der 50er-Jahre zur etwas seltsamen Nachbarin (»As Bemmerl war quasi eine Amalienstraßen-Institution«) geschickt – mit der »delikaten Mission«, das »ekelige Gänseklein am Bemmerl rüberzubringen und zum Verzehr zu überreichen«

»Ein langer, pickelig-faltiger Hals, Füße mit etwas gerupfter Haut daran, ziemlich unappetitliche Innereien: Magen, Herz, Niere« – während die Müllers das wirklich Gute von der Gans genießen. »Ich genierte mich ganz furchtbar, dass ich jemandem etwas als Weihnachtsgeschenk bringen sollte, was bei uns als unbrauchbar eingestuft worden war.«

Wie es war aufzuwachsen im München und speziell Schwabing der Nachkriegszeit, erzählt Hanns Christian Müller in seinem neuen Buch »Sonne für alle«. In den Geschichten erlebt man wie es dazu kam, dass Müller gemeinsam mit Gerhard Polt die Fernsehserie »Fast wia im richtigen Leben« entwickelte, seine Freundschaft zu den Toten Hosen und welche berühmten oder merkwürdigen Persönlichkeiten ihn noch in seinem Leben inspiriert haben. Da kam es schon mal vor, dass man, also der kleine Hanns Christian, mit Erich Kästner, Friedrich Hollaender, Gert Fröbe und Loriot eine Weißwurst essen konnte. Es sind Geschichten mit Witz und viel Charme über die Musik, das Theater und das Leben. Und stets mit dem untrüglichen und heiteren Blick auf das Absurde im Alltag – wie es ja auch seine Kultserie und die Polt-Filme auszeichnete. »Schon als Kind hatte ich ein Auge für Dinge im Alltag, die nicht zusammenpassten«, erzählt er.

Hanns Christian Müller, geboren 1949, ist mit Gerhard Polt bekannt geworden. Er arbeitet als freier Regisseur, Autor, Komponist, Produzent, Musiker, Kabarettist und manchmal auch als Darsteller. Gemeinsam mit Polt drehte er »Kehraus« (Bundesfilmpreis), »Man spricht deutsh«, »Germanikus« und »Fast wia im richtigen Leben« (Adolf-Grimme-Preis). Auch sonst drehte Müller etliche Fernseh- und Kinofilme (u. a. »Tatort« und »Langer Samstag«). Er produzierte jahrzehntelang die CDs von Gerhard Polt und den Biermösl Blosn. An verschiedenen Liedern der Toten Hosen ist er als Autor beteiligt, darunter »Sascha« und »Zehn kleine Jägermeister«. Heute lebt er in Breitbrunn am Ammersee, inszeniert, schreibt Bücher, Theaterstücke und Songs, dreht Videoclips und genießt das Leben. 2018 sind auch Auftritte mit seiner Band »Rockdinos« geplant. »Seit ich nicht mehr in Schwabing lebe, habe ich einen anderen Blick dafür bekommen«, erzählt Müller, dessen Opa schon ein »alter Schwabinger« war.

Im Zuge der Olympiade 1972 hat sich vieles verändert, vieles wurde umgebaut – es entstand eine Art Zuckergusskultur. Lange Zeit hat es mir nicht mehr so gefallen, aber jetzt pulsiert es wieder, es hat sich wieder eine lebendige Kulturszene etabliert. Und jeden Donnerstag fahre ich zum Tarockspielen in den Schelling-Salon. »Ich habe viele skurrile Dinge erlebt«, sagt Hanns Christian Müller, und alle meinten, das ist so komisch, das musst du aufschreiben«. Etwa die Geschichte, die seinem aktuellen Buch den Namen gab: »In meiner Falckenberg-Schulzeit verdiente ich mein Geld hauptsächlich mit Musikkompositionen für Theater, Film oder Fernsehen.

In Memmingen am Landestheater Schwaben sollte ich die Musik für Lysistrata machen. Claudia Roth, heute bei den Grünen, war damals in Memmingen Regieassistentin. Sie organisierte für mich auch stets die Übernachtungsmöglichkeiten. Und so landete ich einmal bei Dago, dem »Schlagzeuger«. Der lebte etwas außerhalb in einer Landkommune Am nächsten Tag schaute ich mich vor der Probe ein bisschen auf dem Gelände um und entdeckte über der Haupteinfahrt zu diesem Vierkant-Hof ein großes Transparent, das ich bis zum heutigen Tag nicht vergessen habe. Ich weiß nicht warum, aber ich war von der schlichten Botschaft dieses Transparents schwer beeindruckt. Ein guter, nützlicher Wunsch, in dem alles ausgedrückt war, was zum Zusammenleben der Menschen (und Tiere) vonnöten war: »Sonne für alle«. mil

Hanns Christian Müller: Sonne für alle, 224 Seiten, Verlag PPV Medien, ISBN 978-3-95512-157-0, 19,90 Euro.

Artikel vom 13.12.2017
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