Unser aller Geschenk

Gedanken von Pfarrer Hans-Georg Löffler zur Weihnachtszeit

Pater Hans-Georg Löffler wirkt als Seelsorger in der Kirche  St. Anna im Lehel.   	Foto: p. h.

Pater Hans-Georg Löffler wirkt als Seelsorger in der Kirche St. Anna im Lehel. Foto: p. h.

Lehel · Vorweihnachtszeit! Es ist für mich eine der schönsten Zeiten im Jahr, wenn wir uns auf das Weihnachtsfest vorbereiten: wenn es in den Straßen und Geschäften vor Menschen nur so wimmelt, wenn von allen Seiten Weihnachtslieder gespielt werden, die Adventsmärkte strahlen und sich so viele Menschen Gedanken machen: was soll ich nur schenken?

Es kann gelegentlich zu Stress ausarten, wenn die Ideen fehlen, wenn mir nichts einfällt und ich auch in dem reichhaltigsten Angebot nichts finde, was mich anspricht, was ich gern verschenken möchte. Mir ist mit den Jahren aufgegangen, dass vor allem anderen eine Perspektive von Weihnachten wichtig ist, die ich jedem Menschen gönnen und wünschen möchte: es ist die Erfahrung, zuerst einmal beschenkt zu werden.

Das größte Geschenk, so sagen wir, sei dieses kleine Kind in der Krippe. Und es ist ein Geschenk für mich ganz persönlich, nicht für eine undefinierbare Masse »Menschheit«, ihm zu begegnen. Es ist der Glaube der Christen, dass hier Gott Mensch geworden ist. Es ist ein eigentlich ungeheuerliches Geschenk, in diesem Kind eben mehr sehen zu können als »nur« ein Baby – es ist der Gott der Christenheit, es ist der Christus, der die Menschen auf einen ganz eigenen und wundervollen Weg zu Gott und mit Gott führt: einen Weg, auf dem die Liebe zu sich selbst, zu seinem Nächsten und zu Gott in Einklang gebracht werden. Und er kommt zur Welt – vor 2000 Jahren – und immer wieder neu. Auf dem Bild ist der Heilige Franz von Assisi dargestellt, wie er sich staunend, entzückt, ergriffen über das Kind in der Krippe beugt. Historisch unmöglich, denn Franziskus lebte zwölfhundert Jahre nach Jesu Geburt. Und doch hat es ihn so fasziniert, dass er – als erster in der Geschichte - die Krippe mit lebendigen Menschen und Tieren nachempfinden und darstellen ließ.

Dieses Geschehen von Greccio 1223 hat die Menschen seiner Zeit wach werden lassen: sie waren es so gewöhnt, wie wir heute, davon zu hören – dass es für sie eine ganz neue Erfahrung war, nachzuempfinden, was dort geschehen ist auf den Feldern vor Bethlehem. Gott wird Mensch – für mich; er wird Mensch auch im Stall meines Lebens, nicht allein bei den Privilegierten, den Habenden, sondern gerade bei den Nicht-Habenden. Und ein wenig von denen ist ja auch in mir, wo es in meinem Leben nicht wirklich stimmt, wo ich enttäuscht wurde oder andere enttäuscht habe, wo ich unter Bedingungen leide, wo ich die Konsequenzen für manche Entscheidung zu tragen habe: da möchte dieses Kind mit seinem heilenden Lächeln ankommen, das nicht ausblendet aber aussöhnt, das nicht verdrängt aber vergibt. Das ist das Geschenk dieses wundervollen Festes.

Wer sich als Beschenkter erfährt kann ebendieses Geschenk auch mit anderen teilen – das schönste Geschenk: Versöhnung, Frieden, Geduld, Mitmenschlichkeit. Wenn wir neu verstehen dieses Geschenk anzunehmen und zu teilen, muss Weihnachten nicht notgedrungen zu Familienstress führen. Vielleicht bedarf es dazu einer gewissen Portion »Reduzierung«. Fahren wir dieses Aufgeblasene, Verkrampfte, Gemachte zurück – auf das, worum es geht: ein Kind in der Krippe, Gott wird Mensch. Die Liebe bekommt eine neue Chance – und damit das Leben, mein Leben, das Leben aller, die danach hungern – woher sie auch immer stammen.

Es darf keinem Menschen der Platz an der Krippe verwehrt werden, gleich welcher Sprache, welcher Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung – dieses Kind in der Krippe verbindet alle Menschen »guten Willens«. Das kann nur Gott, der am Uranfang sagte: »Ich will, dass Leben entsteht. Und der „sah, dass es gut war«.

Ich wünsche uns, dass wir bei aller Geschäftigkeit auch die Zeit und Muße finden und sie uns gönnen, uns den Blick auf das Leben, seine Schönheit und Chancen, seine Herausforderungen und Nöte, neu schärfen lassen – um dem Leben und der Liebe eine Chance zu geben.

Gesegneten Advent und Frohe Weihnachten.
P. Hans-Georg Löffler, ofm

Artikel vom 21.12.2016
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