Die Münchner Trauerwerkstatt hilft mit Trauer umzugehen

Schatten auf der Seele

Giesing/Au · „Die Feiertage sind besonders schlimm.“ – diese Worte bekommt Ursula Weigert oft zu hören.

Ursula Weigert ist ausgebildete Trauerbegleiterin und leitet seit einem Jahr die Münchner Trauerwerkstatt am Ostfriedhof.

Zu ihr kommen Menschen die bei der Bewältigung eines Trauerfalls in der Familie oder dem Freundeskreis Hilfe suchen.

Jeden ersten und dritten Freitag im Monat bietet die Trauerwerkstatt in ihren Räumen in der St. Bonifatiusstr. 12, einen offenen Gesprächskreis an, zu dem jeder eingeladen ist. Von 13 bis 16 Uhr können Trauernde dort unter fachlicher Begleitung Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig trösten. Auf Wunsch werden auch Einzelgespräche angeboten.

Vor allem Menschen die keine Bindung zur Kirche haben, finden hier auf „neutralem Boden“ Hilfe. „Trauer muss bearbeitet werden. Doch diese Bearbeitung ist auch anstrengend. Tränen gehören dazu. Das ist ganz natürlich“, erklärt Ursula Weigert. „Oft schämen sich die Betroffenen wenn sie während eines Gespräches weinen müssen.

Viele trauen sich danach nicht noch einmal zu uns zu kommen. Besonders bei Männern ist die Hemmschwelle groß. Männer reden einfach nicht gern über ihre Gefühle. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es deshalb, die Reserviertheit gegenüber Trauernden abzubauen.“ Einsamkeit ist für viele Hinterbliebene ein ganz großes Problem, betont Ursula Weigert. Besonders nach dem Tod des Ehepartners geht die Bindung zum Freundeskreis schnell verloren.

Angehörige und Bekannte haben manchmal Schwierigkeiten und wissen nicht wie sie mit einem trauernden Menschen umgehen sollen, weiß die Trauerbegleiterin aus ihrer langjährigen Praxis. Deshalb hat sie als zusätzliches Angebot ein sogenanntes „Trauertelefon“ eingerichtet. Unter Telefon 620 50 520 können auch nicht direkt Betroffene Rat einholen.

„Trauer ist keine Krankheit, sondern eine gesunde seelische Reaktion auf ein Verlusterlebnis. Verdrängte Trauer kann allerdings unter Umständen krank machen. Am häufigsten treten Probleme auf, wenn die Hinterbliebenen keine Gelegenheit hatten, sich von dem Toten richtig zu verabschieden“, so Ursula Weigert. Sie Fortsetzung auf Seite 9 rät Trauer so früh wie möglich aufzufangen. Die Trauerwerkstatt bietet deshalb auch Anregungen, den Abschied von einem lieben Menschen bewusst und aktiv mitzugestalten. Zum Beispiel durch die Möglichkeit den Sarg, eine Urne, Grabbeigaben oder ein Leichtuch für den Verstorbenen selbst zu bemalen oder die Trauerfeier individuell zu gestalten.

Sich mit Trauer kreativ auseinander zu setzen ist eines der größten Anliegen der Trauerwerkstatt. In speziellen Seminaren können die Betroffenen ihrem Schmerz mit Farben, Ton und Bastelmaterialien Ausdruck verleihen. „Wer seine Trauer zulässt und durchlebt, kann ihre heilende Kraft erfahren und so wieder zu neuer Lebensfreude finden“, erklärt Ursula Weigert.

Vorbild für ihre Arbeit ist die Trauerbegleitung, die in Westeuropa und Amerika angeboten wird. „Dort ist man in Sachen Trauerpädagogik schon viel weiter“, erzählt sie. Ihr Wunsch ist es, irgendwann auch Trauerseminare für Kinder anzubieten. „Kinder trauern anders als Erwachsene. Bei Kindern wird der Schmerz oft verkannt.

Dies kann dazu führen, dass sie ihre Gefühle verdrängen und womöglich noch nach Jahren unter den Folgen leiden“, weiß Frau Weigert. Über die Trauerwerkstatt sagt sie: „Generell gilt: Jeder Mensch trauert individuell und nicht jeder Hinterbliebene muß professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Doch denjenigen, die sich der Situation möglicherweise hilflos ausgeliefert fühlen wollen wir eine Unterstützung sein.“ ct

Artikel vom 07.11.2001
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