Ideeller Wert zählt

Altstadt/Lehel · BA-Mitglieder freuen sich dennoch über höhere Entschädigung

Wolfgang Neumer, Vorsitzender des BA 1 Altstadt-Lehel, vor dem Hofbräuhaus. Einmal im Monat tagt hier der Bezirksausschuss.	Foto: Julia Stark

Wolfgang Neumer, Vorsitzender des BA 1 Altstadt-Lehel, vor dem Hofbräuhaus. Einmal im Monat tagt hier der Bezirksausschuss. Foto: Julia Stark

Altstadt/Lehel · Rund 80 Stunden im Monat verbringt Wolfgang Neumer damit, Sitzungen vorzubereiten, Ortstermine zu besuchen oder Bürgeranfragen zu beantworten.

In Kürze wird er dafür mehr als 30 Prozent mehr Geld bekommen. Trotzdem liegt die Vergütung für seine Tätigkeit weiterhin zum Beispiel deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Der 56-jährige, hauptberufliche Justizbeamte, ist Vorsitzender des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel (BA 1). »Ich kenne niemanden, der so ein Amt wegen des Geldes ausübt«, sagt Neumer und lacht. Die derzeit 675 Mitglieder der 25 Münchner Bezirksausschüsse sollen künftig für ihr Ehrenamt in den Stadtteilgremien mehr Geld bekommen. Dafür will der Münchner Stadtrat insgesamt 450.000 Euro mehr ausgeben. Einem entsprechenden Vorstoß der rot-schwarzen Rathauskoalition hat auch das Stadtdirektorium zugestimmt.

Derzeit belaufen sich die Aufwandsentschädigungen noch auf rund 1,2 Millionen Euro im Jahr. Durch die Anhebung ist jetzt eine Steigerung um immerhin 37 Prozent avisiert. Monetär reich werden die Lokalpolitiker aber auch durch die Erhöhung allesamt nicht. Es bleibt der ideelle Wert beim Streiten ums Gemeinwohl auch künftig im Mittelpunkt. Die Neuregelung der Aufwandsentschädigung sei zwar »eine schöne Anerkennung«, sagt Neumer. Allerdings sei der finanzielle Aspekt von untergeordneter Bedeutung: »Wir hätten alle auch weitergemacht, wenn die Dinge beim alten geblieben wären.« Doch wie sieht die Anpassung der Bezüge im Detail aus? Künftig 72 statt bislang 60 Termine pro Jahr können die BA-Vorsitzenden im Rahmen ihrer Tätigkeit geltend machen – 60 statt 48 sollen es bei sonstigen BA-Mitgliedern sein. Neben der monatlichen Plenumssitzung, die für den Bezirk Altstadt-Lehel regulär an jedem dritten Dienstag im Monat um 19 Uhr im Münchner Zimmer des Hofbräuhauses stattfindet, besuchen die Vertreter des Stadtteilparlaments zum Beispiel Unterausschüsse, Ortstermine und Bürgerveranstaltungen.

Häufig dauern die Treffen bis spät in die Nacht. »Beim letzten Unterausschuss Planung saßen wir bis 23.30 Uhr zusammen«, berichtet Neumer. Gerade im Gebiet der Altstadt seien städtebauliche Themen oft sehr kompliziert und langwierig: »Das liegt daran, dass es bei uns so viel Denkmal- und Ensembleschutz gibt.«

Besonders aufwendig sei etwa die Neugestaltung des Tals gewesen. Nun stehe die Ausweitung der Fußgängerzone in der Sendlinger Straße an. Hierzu werde es bald ein Treffen mit den Gewerbetreibenden und eines mit den Bürgern geben, kündigt Neumer an.

Wie viele Termine er im Jahr tatsächlich wahrnehme, lasse sich allerdings nicht genau festlegen: »Wenn ich im Viertel unterwegs bin, werde ich ständig erkannt und angesprochen.« Seine Arbeit im BA beanspruche fast sein gesamtes Privatleben. Aktiv ist Neumer im Stadtteilparlament schon seit zwölf Jahren. »Aber als meine Kinder noch klein waren war das schwierig«, erinnert er sich. Inzwischen lasse sich sein Ehrenamt jedoch gut mit dem Familienleben verbinden. Für andere private Aktivitäten oder Hobbys bleibe indes keine Zeit mehr.

Aktuelle Erhöhung scheint angemessen

Zusätzlich zur Vergütung der Termine, die mit rund 50 Euro geltend gemacht werden können, bekommt der Vorsitzende eines Stadtteilgremiums eine monatliche Aufwandsentschädigung. Diese ist wie bisher nach Stadtviertelgrößen gestaffelt, soll jedoch ebenfalls angehoben werden. Erhält ein Quartier-Bürgermeister bisher 506 Euro, soll der gleiche Posten künftig mit 650 Euro dotiert sein. Auch seine Stellvertreter, die Unterausschuss-Vorsitzenden in den Fachbereichen und die Fraktionssprecher der im BA vertretenen Parteien und Gruppierungen erhalten eine höhere Pauschale zusätzlich zum Sitzungsgeld.

Nachdem die Entschädigungen gegen Ende der 1990er Jahre zum letzten Mal angepasst wurden, scheint die aktuelle Erhöhung angesichts des umfangreichen Wirkens in den Bezirksausschüssen durchaus angemessen. »Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Erhöhung in diesem Umfang gerechtfertigt«, sagt auch Neumer. Grundsätzlich halte er es jedoch für sinnvoll, dass die Arbeit in den Stadtteilparlamenten ehrenamtlich ausgeübt werde. »So lange wir unsere Berufe haben sind wir unabhängig. Das sorgt dafür, dass wir nicht von Lobbygruppen beeinflusst werden«, erklärt er.

Unabhängige Entscheidungen

Immer wieder sei es nötig, im BA auch Entscheidungen gegen bestimmte Interessen im Viertel zu verfolgen.

Aktuell sei dies etwa im Bezug auf die Wirte in der Müllerstraße der Fall: »Hier entwickelt sich eine Feierbanane wie in der Sonnenstraße, die Anwohner leiden sehr darunter.« Das Stadtteilparlament trete nun dafür ein, die Anliegen der Bürger gegenüber den Gastronomiebetrieben durchzusetzen und kämpfe gegen die Verkürzung der Sperrzeiten.

Neben der Unterstützung durch den BA auf politischer Ebene bekommen die Anwohner der verschiedenen Viertel außerdem künftig noch eine weitere Möglichkeit, ihre Stadtteile mitzugestalten. Denn auch an einer anderen Finanzstellschraube soll gedreht werden. So sollen die Einwohner über Bürgerbudgets mehr Direkteinfluss auf die Verwendung ihrer Steuermittel in den Stadtteilen erhalten. Wie sich dies auf den Bezirk Altstadt-Lehel auswirken wird, bleibt abzuwarten. J. Stark

Artikel vom 30.09.2015
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