Die versteckte Gefahr

Hilfe für Kinder depressiver Eltern – Studienteilnehmer gesucht

Das Team der Münchner PRODO-Studie: Dr. Belinda Platt, Lina Engelmann, Kornelija Starman, Johanna Löchner und Alessandra Voggt (v. li.).	Fotos: KJP

Das Team der Münchner PRODO-Studie: Dr. Belinda Platt, Lina Engelmann, Kornelija Starman, Johanna Löchner und Alessandra Voggt (v. li.). Fotos: KJP

München · Lustlosigkeit, kein Appetit, innere Leere, eine unbestimmte Traurigkeit; das kennt jeder. Jugendliche und besonders Kinder können diese Ausdrucksformen des Körpers oder viel mehr des Gehirns nicht ohne Weiteres deuten. Das können ganz einfach Stimmungen sein.

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Artikel vom 28.08.2015: Münchner Samstagsblatt-Redakteur Carsten Clever-Rott über Verständnis und Verstehen

Das können aber auch Symptome einer Depression sein. Depression bei Kindern ist ein Feld, das bislang nur wenig erforscht ist. Einer der größten Risikofaktoren für Kinder und Jugendliche, so viel weiß man, ist die Depression ihrer Eltern. Ab Oktober bietet die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München ein Präventionsprogramm für Kinder und Jugendliche an, deren Eltern an Depression erkrankt sind. Depression, das ist vielen nicht klar, ist nicht einfach eine niedergedrückte Stimmung. Es ist eine Krankheit, eine Stoffwechselstörung im Gehirn, die die bekannten Symptome zur Folge hat. Diese Krankheit kann durch Veranlagung weitergegeben werden. Daher sind Kinder von Eltern, die unter einer Depression leiden, häufiger selbst von der Erkrankung betroffen.

Der Ansatz des Therapie lautet Vorbeugung. In den USA wurde dazu ein Konzept entwickelt und erfolgreich angewandt. »Es ist dringend notwendig, den Kindern und Jugendlichen so früh wie möglich zu helfen«, erklärt Dr. Belinda Platt, die als Studienleiterin die Ergebnisse der programmbegleitenden Studie auswertet. So früh wie möglich bedeutet hier: noch vor dem möglichen Ausbrechen einer Depression.

Das amerikanische Konzept wurde an der Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie übersetzt und weiterentwickelt. Das Ergebnis: PRODO. Das steht für »Primary Prevention of Depression in the Offspring of Depressed Parents«, also grundlegende Prävention für Kinder depressiver Eltern.

PRODO ist nach wissenschaftlichen Aspekten aufgebaut, in der Praxis allerdings noch nicht erprobt. Die Studie ab Oktober soll Klarheit bringen, inwiefern PRODO nachweislich zur Vorbeugung beitragen kann. Das gruppen- und familienbasierte Programm ist auf Bausteinen der Verhaltenstherapie aufgebaut und soll eine effektive Hilfe in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen darstellen. So lernen betroffene Eltern, wie sie ihre Kinder besser unterstützen können. Die Familie als Einheit nimmt dabei eine besondere Schlüsselfunktion ein.

Um PRODO in der Praxis zu testen und verwertbare Ergebnisse zu erzielen, suchen Dr. Belinda Platt und ihr Team Familien, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen (mehr dazu im Infokasten). Einer, der an den Nutzen von PRODO glaubt, ist der bekannte Entertainer Hape Kerkeling. Daher unterstützt er das Projekt als Pate. Er sagt: »Kompetente Unterstützung ist für Kinder depressiver Eltern sehr wichtig.« Unterstützung, die er selbst als Kind nicht hatte. Als Hape Kerkeling acht Jahre alt war, nahm sich seine Mutter als Folge einer schweren Depression das Leben. Das machte der Entertainer im vergangenen Jahr öffentlich. Er wäre vor über 40 Jahren selbst als Teilnehmer für die Münchner PRODO-Studie infrage gekommen.

Bis zum heutigen Zeitpunkt konnten viele Depressionserkrankungen nicht verhindert werden. Das Präventionsprogramm ist ein Ansatz, von dem sich Kerkeling erhofft, dass sich viele erkrankte Eltern für eine gesunde und glückliche Zukunft ihrer Kinder einsetzen. Abkehr und Zurückhaltung wären der falsche Ansatz. »Fast jeder vierte Deutsche hat einmal im Leben eine depressive Phase durchlebt«, berichtet Dr. Belinda Platt. Bei den 15- bis 18-Jährigen seien es 15 Prozent. »Rund 50 Prozent der Kinder depressiver Eltern leiden bis zum 21. Lebensjahr selbst an einer depressiven Störung.«

Wahrscheinliche Gründe für das hohe Erkrankungsrisiko seien neben genetischen Faktoren psychosoziale Belastungen wie Mobbing, Stress in der Schule oder der Verlust einer nahestehenden Person. Um einen gesicherten Therapieansatz zu bekommen, ist die Studie wichtig. Von Carsten Clever-Rott

Weitere Informationen zur Studie

Voraussetzungen zur Teilnahme an der PRODO-Studie:

• Mindestens ein Elternteil muss zu Lebzeiten des Kindes ein Depression erlebt haben.

• Die Kinder sollten im Alter von acht bis 17 Jahren sein und keine psychiatrische Diagnose aufweisen.

• Die Interessenten sollten im Umkreis von München wohnen, da acht wöchentliche und im Anschluss vier monatliche Termine wahrzunehmen sind.

Wer die Voraussetzungen erfüllt und Interesse an der Teilnahme an der PRODO-Studie hat, erfährt mehr im Internet unter www.prodo-studie.de

Telefonisch sind Dr. Belinda Platt, Johanna Löchner und ­Kornelija Starman vom PRODO-Team unter 0 89 / 45 22 90 32 erreichbar. Eine Kontaktaufnahme ist auch per E-Mail unter kjp-prodo@med.uni-muenchen.de möglich.

Artikel vom 28.08.2015
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