Kampf der Frauen

Zentrum · Selbst die Zukunft in die Hand nehmen – seit 120 Jahren

Christa Weigl-Schneider kämpft für die Belange der Frauen. Und sie appelliert an die Geschlechtsgenossinnen: »Gebt nicht auf.«	Foto: scy

Christa Weigl-Schneider kämpft für die Belange der Frauen. Und sie appelliert an die Geschlechtsgenossinnen: »Gebt nicht auf.« Foto: scy

Zentrum · Wer möchte in die Fußstapfen von Alice Schwarzer und ihren Mitstreiterinnen treten? So richtig interessiert daran, sich stark zu machen für die Rechte der Frauen, ist der Nachwuchs wohl meistens nicht.

Im Gespräch mit jungen Frauen hört Christa Weigl-Schneider immer wieder diesen Satz: »Wir sind doch gleichberechtigt.« Wofür also kämpfen? »Gleichberechtigung ist immer noch nicht faktisch umgesetzt, dafür gibt es genug Beispiele im Alltag. Man denke nur an die Lohnungleichheit. Wir müssen also dringend weiter dranbleiben«, hält die Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen jedoch dagegen. Sie wird nicht müde, an alle Münchnerinnen zu appellieren: »Engagiert euch weiter für die Belange der Frauen. Gebt nicht auf.« Mit genau dieser Geisteshaltung beginnt auch die Geschichte des Vereins, der nun sein 120-jähriges Jubiläum feiert.

Damals wie heute: Es braucht die Unermüdlichen. »Inzwischen haben wir viele unterschiedliche Hilfen für Frauen aufgebaut«, sagt Weigl-Schneider und verweist auf Kooperationseinrichtungen wie »FIT-Finanztraining«, eine Beratungsstelle, die die Sanierung der Haushaltsfinanzen zum Ziel hat. Zu den Ratsuchenden gehören unter anderem Frauen, die nach einer Scheidung mit dem Geld nicht mehr gut zurechtkommen. Im Angebot des Vereins sind auch Seminare wie »Neuer Start«, das Frauen Unterstützung darin gibt, nach der Familienzeit in die Berufstätigkeit zurückzukehren. »Die Frauen werden dabei begleitet und darin bestärkt, klare Ziele zu entwickeln und ihre Zukunft selbstbestimmt in die Hand zu nehmen«, erläutert Weigl-Schneider.

Es sind vor allem Ehrenamtliche, die die Organisation und Durchführung der Hilfsangebote übernehmen. Kontakte von Frau zu Frau. »Die Hemmschwelle, zu uns zu kommen, ist wesentlich geringer als zum Amt zu gehen«, weiß die Vereinsvorsitzende.

Wobei der Verein nicht nur in Notlagen und bei Problemen aktiv wird, sondern regelmäßig Informationsveranstaltungen anbietet, um Frauen kompetent zu machen in politischen Belangen und sie darin zu bestärken, für ihre Rechte einzutreten. Zu nennen ist hier beispielsweise das Gesprächsforum »PolitikFrauenGesellschaft«, das am Mittwoch, 14. Mai, und am Mittwoch, 9. Juli, jeweils von 18 bis 20 Uhr stattfindet.

»Wir müssen selbst politisch agieren und können uns nun mal nicht ausschließlich auf Politiker verlassen«, sagt Weigl-Schneider. Die Stimmen würden zumeist gehört: »Zu unseren Erfolgen gehört sicher, dass in München ein ausgesprochen gutes Klima herrscht in Bezug auf Frauenprojekte. Wir werden auf stadtpolitischer Ebene angenommen.« Noch völlig anders wehte der Wind in den Gründungsjahren. »Die Frauenbewegung galt damals als geschmacklos, lächerlich und auf keinen Fall ernst zu nehmen«, weiß Christa Elferich von der Kooperationseinrichtung und Freiwilligenagentur »Tatendrang« zu berichten. Als der Verein im Mai 1894 ins Leben gerufen wurde, sei just eine Schrift publiziert worden »vom angeborenen weiblichen Schwachsinn«. »Da brauchte es schon eine gehörige Portion Mut, sich als Frau mit seinem Engagement hervorzutun«, so Elferich weiter.

Mit der nötigen Courage ausgestattet, ließen sich jedoch die Vereinsgründerinnen Anita Augspurg und Sophia Goudstikker nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Die beiden ledigen Geschäftsfrauen betrieben in der Von-der-Tann-Straße das Fotostudio Elvira. Mit dem Verein für Fraueninteressen forderten sie unter anderem eine bessere Ausbildung für Mädchen, das Wahlrecht für Frauen und die Ausübung einer Berufstätigkeit. Als politische Vereinigung allerdings durften sie sich nicht eintragen lassen, die Polizei untersagte das sofort.

Ein schwungvoller Lebensring

In der Folge wählte man zunächst die unverfängliche Formulierung »Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau«. Der Münchner Kreis, der auch viele Künstlerinnen anzog und sogar Männer als Mitglieder hatte, wie beispielsweise Rainer Maria Rilke, wurde von damaligen Zeitgenossinnen beschrieben als der »farbigste, schwungvollste und reichste Lebensring, zu dem irgendwo die Frauenbewegung zusammenwuchs«. Es habe sich um eine »temperamentvolle Emanzipation voll Herzensanteil« gehandelt. Eben diese Energie und Kraft solle, so wünscht es sich die heutige Vereinsvorsitzende, auch weiterhin die Arbeit des Vereins bestimmen.

»Der Weg zur Gleichberechtigung ist nicht leichter geworden, es gibt immer wieder auch Rückschritte«, sagt sie. Insbesondere das »fehlende Bewusstsein vieler junger Frauen« macht ihr Sorgen. Dabei stünden die nicht weniger vor alarmierenden Situationen. »Es gibt keine Wahlfreiheit zwischen Berufstätigkeit und Kindern«, so Weigl-Schneider. »Wer das sagt, der lügt.« Es könne nur vorangehen durch ständiges Einfordern, »ob jung, ob alt, jede Frau, die sich engagiert, ist wichtig«. Weitere Informationen: Verein für Fraueninteressen e.V., Thierschstraße 17, Tel. 2 90 44 63, www.fraueninteressen.de

Der Verein freut sich über Spenden: Bankverbindung: Stadtsparkasse München, Kontonummer 128 884, BLZ 701 500 00. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 13.05.2014
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