Der Zeit weit voraus

Schwabinger Architekt erhält Bundesverdienstorden

Manfred Drum setzt sich nicht nur im Quartier am Ackermannbogen für eine Bürgerbeteiligung bei Wohnprojekten ein.	Foto: Kirsten Ossoinig

Manfred Drum setzt sich nicht nur im Quartier am Ackermannbogen für eine Bürgerbeteiligung bei Wohnprojekten ein. Foto: Kirsten Ossoinig

Schwabing · Manfred Drum ist kein Mann, der große Töne spuckt. Er ist eher ein Mann der leisen. Und dabei hat er doch »Impulse gegeben«, wie er sagt: und zwar bei der Gestaltung eines kompletten innerstädtischen Quartiers.

Mit dem Verein »Urbanes Wohnen« hat er am Ackermannbogen dafür gesorgt, dass die Bürger bei der Gestaltung des Neubauviertels Mitspracherecht haben. Für sein Wirken im Verein, der heuer 40 Jahre alt geworden ist, wird Manfred Drum jetzt mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.

Nachdenklich sitzt Drum im Speisecafé Rigoletto – er hat sich dort einen Platz abseits vom Trubel ausgesucht, der dort schon um zehn Uhr morgens herrscht, um sich in Ruhe unterhalten zu können. Zu den Erinnerungen, über die er mit leiser Stimme spricht, gibt es Käsekuchen. Die Idee des nachbarschaftlichen Miteinanders hat Drum, der in Mannheim geboren ist und in München Architektur studiert hat, schon vor über einem halben Jahrhundert beschäftigt. In der Nachkriegszeit hat Manfred Drum München als »Ruinenstadt« gesehen und sich Gedanken gemacht, wie man das wiederaufbauen könnte. Und zwar auch mit der Beteiligung der Bürger. Heute, sagt Drum, sei hinsichtlich einer Bürgerbeteiligung bei Wohnprojekten »Demokratie auch bei Behörden zu erkennen«. Im Gegensatz zu früher, als »Demokratie zwar ein Geschenk nach dem Dritten Reich« gewesen sei, viele damit aber zunächst nicht viel anfangen konnten. Manfred Drum hingegen konnte damals schon etwas damit anfangen: Denn neben Teilen des Olympiadorfs, der Deutschen Botschaft London und dem Verwaltungszentrum der HypoVereinsbank am Arabellapark hat er auch an vielen Wohnanlagen mitgewirkt. Und was er damals schon gemerkt hat, war die »anonyme Planung und Vermarktung – es hat mich gestört, dass die Bewohner einfach irgendwo hineingesetzt wurden und sich nicht gekannt haben«.

Daraufhin hat er zunächst mit Gleichgesinnten im Jahr 1973 den Verein »Urbanes Wohnen« gegründet. Im Jahr 1976 startete das Projekt »Grüne Gartenhöfe«: Rund um Drums damaligen Wohnort an der Schwabinger Römerstraße haben Nachbarn gemeinsam ihre Hinterhöfe bepflanzt. Im Kleinen habe man damals angefangen, erzählt Drum. »Wo kann man ansetzen, wo ist ein großes Bedürfnis der Bewohner da«, so die Überlegung damals. »Wenn wir gemeinsam den Hof schöner gestalten, dann lernen wir uns besser kennen«, war laut Drum dann die Antriebsfeder für das Projekt »Grüne Gartenhöfe«.

Weitere Initiativen, an denen der Architekt beteiligt war, folgten: 1977 etwa die Gründung der Initiative »Nachbarschaft Schwabing«, die 1992 vom Seidlvillaverein übernommen wurde. 30-jähriges Jubiläum feiert heuer die Aktion »Grüne Wände«, die es demnach seit 1983 gibt.

Initiativen rund ums Wohnen

1995 rief »Urbanes Wohnen« die Wohnprojekttage ins Leben, außerdem das bayernweite »Netzwerk Wohnprojekte«. 1999 und 2000 wurde der Verein »wagnis« und die gleichnamige Wohnbaugenossenschaft mitbegründet, 2001 folgte die Beteiligung an der Gründung des »Forums Schwabing am Olympiapark« für die vier Quartiere am Ackermannbogen. Alle Projekte und Initiativen stehen unter dem Zeichen »gemeinschaftsorientiertes Wohnen – selbstbestimmt, solidarisch und umweltbewusst«.

Seit 2005 wohnt Manfred Drum nun im Neubaugebiet am Ackermannbogen – in dem Quartier, in dem viele Bewohner mitbestimmen – und nicht zuletzt durch Manfred Drums Impulse. »Ich fühle mich hier echt zu Hause. Die Vision, die wir bei der Gründung von ›Urbanes Wohnen‹ hatten, ist umgesetzt worden«, sagt der Architekt.

Auch für die kommenden 40 Jahre hat der Verein laut Drum Einiges zu tun: Der Ausbau der Grünen Achse etwa, dem Netzwerk von Natur und Nachbarschaft vom Englischen Garten zum Olympiapark. Laut Drum soll das Natur- und das Alltagsnetz aller Münchner nicht nur in Schwabing verknüpft werden. Sondern in der ganzen Stadt, verbunden mit Aktionen, die Kunst und Kultur im öffentlichen Raum betreffen. »Kultureinrichtungen sollten nicht nur in ihrem Haus aktiv sein, sondern sich in ihre Nachbarschaft ausdehnen.«

Die Anwohner am Ackermannbogen leben das nachbarschaftliche Miteinander. Ein Beispiel hierfür ist für Manfred Drum etwa der Mittwochstreff: Immer am ersten Mittwoch im Monat lädt der Verein »FORUM Quartiersentwicklung im Ackermannbogen« zum öffentlichen »Jour Fixe« ein. Bei diesen Treffen diskutieren die Bewohner und Interessierte über aktuelle Themen zur Quartiersentwicklung im Ackermannbogen. »Die Zusammenkunft ist schon längst ein Selbstläufer«, sagt der Architekt. Das Besondere im Quartier ist für ihn außerdem, dass man das nachbarschaftliche Miteinander überall sehe. Die Anwohner haben das Viertel mitgestaltet, es sei somit lebendiger. »Die Offenheit in Richtung Nachbarschaft erkennt man schon an den Gärten.«

Eine Auszeichnung für alle

Ein Mann kommt am Tisch im Speisecafé Rigoletto vorbei, an dem Manfred Drum gerade bedächtig, aber nachdrücklich die Lanze für Anwohnermitbestimmung bricht. Der Neuankömmling sieht Drum, stutzt und kommt im nächsten Moment auf ihn zu: Er klopft ihm herzlich auf die Schulter, um ihm zur Verleihung des Bundesverdienstordens zu gratulieren. Manfred Drum freut sich sichtlich, wehrt aber auch ab: »Ich nehme die Auszeichnung stellvertretend für alle im Verein entgegen.« Drum sagt ja, dass er den einen oder anderen Impuls gegeben hat. Die Projekte hätten sich letztendlich jedoch »selbst am Schwimmen gehalten«. Der Architekt freut sich vor allem, dass seine Visionen Realität geworden sind.

Am Freitag, 22. November, findet der Festakt statt, bei dem die Bayerische Sozial- und Familienministerin Emilia Müller unter anderem Manfred Drum mit dem Bundesverdienstorden auszeichnen wird.

Der Verein »Urbanes Wohnen« kann laut Manfred Drum noch Mitstreiter gebrauchen: Wer Interesse hat, dabei zu sein, findet weitere Infos unter www.urbanes-wohnen.de. Kirsten Ossoinig

Artikel vom 12.11.2013
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...