Urbanes Wohnen: Innenhofverbindung einschneidender Schritt

Schwabing · Münchner Mauerfall

Wolfgang Heidenreich, Manfred Drum und Franz Herold (v. l.) von Urbanes Wohnen erinnern sich an einen einschneidenden Schritt: der Mauerdurchbruch im Jahr 1977 (kl. Foto). 	Fotos: scy/Urbanes Wohnen e.V.

Wolfgang Heidenreich, Manfred Drum und Franz Herold (v. l.) von Urbanes Wohnen erinnern sich an einen einschneidenden Schritt: der Mauerdurchbruch im Jahr 1977 (kl. Foto). Fotos: scy/Urbanes Wohnen e.V.

Schwabing · Es geschah im Jahr 1977 am Kaiserplatz 10: Münchner rüsteten sich für einen Mauerdurchbruch – damals der erste überhaupt – zwischen zwei Innenhöfen. Ein entscheidender Schritt für eine bessere Nachbarschaft. Und eine Aktion mit Multiplikatorwirkung.

Leben am Ackermannbogen

Denn diesem Beispiel sollten noch viele folgen. Hinter dieser und anderen Ideen steckt der Verein »Urbanes Wohnen München«, der seinen Sitz in der Schwabinger Seidlvilla hat und heuer sein 40-jähriges Bestehen feiert. »Urbanes Wohnen heißt städtisches Wohnen. Wir engagieren uns dafür, die Wohnsituationen in Städten zu verbessern«, erklärt Vereinsmitglied Manfred Drum. Dabei werde »Hilfe zur Selbsthilfe« gegeben, die Menschen also darin unterstützt, ihre eigenen Belange in die Hand zu nehmen, um selbstbestimmt in einer angenehmen Wohnsituation und in guter Nachbarschaft leben zu können. Und das tut Not – gestern wie heute. »Wir haben viel erreicht. Und doch, die Arbeit geht nicht aus, es ist viel zu tun«, sagt Drum.

Insbesondere in diesen Zeiten der extremen Wohnungsnot, die eben nicht, und das gehöre zu den Grundgedanken der Initiative, die Qualität des Wohnens diktieren dürfe. »Leider ist es meistens so: Man nimmt, was man bekommt, und ist froh, dass man etwas hat. Doch darin soll sich Wohnen nicht erschöpfen«, so Drum weiter. Wohnen kann also viel mehr sein – und das soll es auch. »Eine Wohnung kann doch nicht einfach wie ein Industrieprodukt wie beispielsweise ein Kühlschrank eingeordnet werden«, befindet Vereinsmitglied Franz Herold, der bereits den Jüngsten nahebringt, wie sie sich aktiv einbringen und ihr Umfeld selbst gestalten können. Herold ist zuständig für das Team »Grüne Schul- und Spielhöfe« und ermöglicht Kindern und Jugendlichen, bei den Planungs- und Gestaltungsprozessen dabeizu- sein. Dass zig graue Hinterhöfe sich in grüne Stadt- und Aufenthaltsoasen für Jung und Alt verwandelt haben, auch das ist vielfach dem Verein und seiner »Aktion Grüne Gartenhöfe« zu verdanken. Auch wurden diverse Attraktionen in den Hinterhöfen initiiert, um dort Menschen zusammenzubringen, wie etwa Ökomärkte und vor allem auch kulturelle Veranstaltungen auf Kleinkunstbühnen. »Das ist gelebte Nachbarschaft, die Menschen aus der Isolation holt und den sozialen Raum erweitert, den Familie zu bieten hat«, sagt Drum. Und wer kennt sie nicht, die sogenannte »Grüne Achse Schwabing«, die 14 Parks und Plätze zwischen Englischem Garten und Olympiapark verbindet, ein Netzwerk aus Natur und Nachbarschaft. Inzwischen ist sie zu einem Modellprojekt geworden für ein gesamtstädtisches Naturnetz, das mit allen 25 Bezirksausschüssen entwickelt wird. Den Anstoß dazu gab »Urbanes Wohnen« im Jahr 2006.

Grün in die Stadt gebracht

Zur selben Zeit entstanden die vom Verein initiierten Schwabinger Nachbarschaftsprojekte »Nachbarschaft Schwabing Seidlvilla« und »Nachbarschaftsbörse Ackermannbogen«. Triste Hauseingänge, fahlgraue Fassaden – auch sie sind ein Fall für »Urbanes Wohnen«. Die Aktionen »Grüne Hausportale« und »Grüne Wände« sorgen vielerorts für eine wesentlich angenehmere und wohnlichere Atmosphäre. »Für mich bedeutet mehr Grün nicht nur Wohlfühlen, sondern auch mehr Sicherheit«, sagt Vereinsmitglied Wolfgang Heidenreich, der leidenschaftlich gerne radelt, und dabei lieber auf begrünten Radstrecken als auf vielbefahrenen Straßen unterwegs ist.

Zur Geschichte: Ausgehend von Köln entstand 1968 eine bundesweite Bürgerbewegung »Urbanes Wohnen«. In München fiel der Startschuss 1973, als die Wohnprojektgruppe »Dorf in der Stadt« mit Interessierten zu einer »Genossenschaft Urbanes Wohnen« fusionierte. Mit ihren vielfältigen Aktionen ist »Urbanes Wohnen München« für viele Städte Vorbild gewesen und wurde mehrfach mit Preisen wie 1982 dem »Frankfurter Baupreis« und 1999 mit der Medaille »München leuchtet« ausgezeichnet.

Zu den vielen Aktivitäten zählt auch die traditionelle Radtour entlang der »Grünen Achse Schwabing« am Tag der Schwabinger Hofflohmärkte, heuer am Samstag, 4. Mai. Um 14 Uhr geht es los, Treffpunkt ist der Hof der Seidlvilla. Ohnehin sollten sich Interessierte am besten den Samstag, 4., und Sonntag, 5. Mai, im Kalender notieren, denn an diesem sogenannten Kulturwochenende informiert »Urbanes Wohnen« im Petuelpark über alle laufenden Projekte des Vereins.

40 Apfelbäume als Geschenk

Und Freitag, 27., und Samstag, 28. September, kann man sich auch schon mal vormerken: Dann nämlich findet die Jubiläumstagung »Demokratie im Lebensumfeld« im Münchner Stadtmuseum statt. Im Anschluss, und so viel sei schon verraten, verschenkt »Urbanes Wohnen« 40 Apfelbäume an Schulen und Hausgemeinschaften. Wer Interesse hat, kann bereits Kontakt aufnehmen.

Weitere Informationen zum Verein gibt es im Internet unter www.urbanes-wohnen.de oder unter Tel. 39 86 82. Jeden Donnerstag von 18 bis 19 Uhr finden Beratungen aller Art im ersten Stock der Seidlvilla am Nikolaiplatz 1 b statt. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 30.04.2013
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