Was denkt Friedrich Ani über die Entwicklungen in Giesing?

Giesing · Liebe zum Viertel

Buchautor Friedrich Ani kam auf Einladung der Landtagsabgeordneten der Grünen, Claudia Stamm, in den Grünen Salon.	Foto: bus

Buchautor Friedrich Ani kam auf Einladung der Landtagsabgeordneten der Grünen, Claudia Stamm, in den Grünen Salon. Foto: bus

Giesing · »Sehr schön an einem Ort zu lesen, von dem ich nur 50 Meter entfernt wohne«, freut sich Friedrich Ani, der zu Gast in Claudia Stamms Grünem Salon in der Tegernseer Landstraße ist.

Thema: Adieu Giesinger Flunder

Nicht nur er, sondern auch seine Romanfiguren leben oder arbeiten in Giesing und München. Die Liebe zum Viertel hat der in Kochel am See geborene Schriftsteller mit der Landtagsabgeordneten Claudia Stamm gemeinsam, die auch einmal hier wohnte, allerdings in Untergiesing. Bekenntnisse eines Stüberlbewohners heißt eine Kurzgeschichte, die Ani im Grünen Salon liest. Jeden Tag sitzt der Protagonist im Enzianstüberl, nur einmal die Woche besucht er das Belgradstüberl. Denn: »Erst durch Abstand entsteht wahre Liebe.« Doch trotz der großen Sympathie zum Enzianstüberl und Wirtin Laura wäre er »wahnsinnig gerne mal nüchtern.« Außer seinen Krimis, die sich um Vermisste drehen und oft Kommissar Tabor Süden auf die Suche nach Familiengeschichten, Lebensläufen und Ungereimten schicken, schreibt Ani auch Kurzgeschichten aus der Erlebniswelt von Giesingern. Es seien Personen, die nicht einmalig sind, erklärt der Autor, der sich schelmisch als unpolitischen Menschen bezeichnet. Er selbst bekomme wenig von seinem Stadtteil mit, weil er tagsüber schreibe und nachts im Stüberl sitze. Trotzdem dreht sich die zweite Geschichte, die er zum Besten gibt, um ein drängendes Problem: Die Mietsteigerungen, die wenigen günstigen Wohnungen und die triste Arbeitswelt eines Maklers für Sozialwohnungen, der Kollegen mit schickeren Objekten und betuchten Kunden beneidet.

Dennoch, Ani bleibt am Anfang des Gesprächs mit Claudia Stamm über seinen Stadtteil dabei: Er bemerke nicht sehr viel von der Gentrifizierung des Viertels, die nun Obergiesing treffe. Und nicht nur nachteilig für München seien diese Umstrukturierungsprozesse, die Claudia Stamm durch politische Maßnahmen so gestalten möchte, dass die Mieten auch für Alteingesessene bezahlbar bleiben. Friedrich Ani findet es an vielen Ecken in München wie im Glockenbachviertel schön, auch in Schwabing habe er gerne gewohnt, da zöge es ihn aber nicht hin zurück. »Obwohl, wenn meine Miete sehr steigt, und die ist jetzt schon nicht billig, wer weiß, vielleicht komm ich dann ja wieder nach Schwabing.« Ein Scherz, aber er würde wegziehen, wenn Giesing zu teuer wird. »Da geh ich nach dem Geldbeutel, die Frage in München ist allerdings: wohin? Und was will ich in einem Vorort, ich will ja in der Stadt leben.« Am Herzen liegt ihm auch der alte Giesinger Bahnhof. Mehr als die Debatte um die Flunder bedauert er die dortige Gastronomie. »Das müsste man auf die Reihe kriegen. Ein wunderbarer Ort und kein g’scheiter Pächter. Seltsam, wo es so viel junge Gastronome gibt, die es nach Giesing zieht.« Claudia Stamm pflichtet ihm bei. »Im Sommer könnte man am Bahnhof so schön draußen sitzen.«

Friedrich Ani ist kein Blauer

Weniger Liebe hat der vielfach ausgezeichnete Krimiautor für das Sechzger Stadion. »Hier hätte ganz gut mal eine Fliegerbombe explodieren können«, polemisiert er. Wenn, dann wäre er eher ein Roter. Aber eigentlich ist es ihm sehr recht, dass das Stadion nun erhalten bleibt, das kommt zumindest im weiteren Gespräch mit Claudia Stamm so langsam raus. Die wiederum, auch ein Bayernfan, ärgert sich bei aller Freude über den Erhalt des Grünwalder Stadions darüber, dass keine zusätzliche Nutzung möglich war. »Mit einem versierten Architekten war ich vor Ort. Man hätte sehr gut Jugendräume mit einplanen können. Schließlich ist Giesing nicht gerade üppig mit soziokulturellen Jugendtreffs bestückt. Aber alle Vorstöße in diese zusätzliche Richtung sind bei der Stadt auf taube Ohren gestoßen.«

Schließlich kommt die Sprache doch noch auf die Punkte, an denen Ani sich an seiner Münchner Wahlheimat reibt. »Das Image der Stadt ist halt: Wir sind schön, hübsch und reich. Dabei ist München gar nicht so einseitig münchnerisch wie dieses Klischee. Die Stadt lebt gerade von den nicht so glatten Ecken, die es zum Glück häufig, wie hier im Viertel, gibt. Leider sieht man jetzt auf der TeLa immer mehr Handyläden, Sonnenstudios und Bäcker, die nicht mehr selber backen. Wenn ich mich so umschaue, finde ich nicht, dass sich irgendwas positiv verändert.« Noch aber lebt und arbeitet Friedrich Ani gerne in Giesing. Seine Bücher, wie den neuen Roman »Süden und das heimliche Leben«, hat er als Spende in den Grünen Salon mitgebracht. Die freiwilligen Einnahmen aus dem Erwerb will Claudia Stamm an einen Giesinger Mädchentreff übergeben. bus.

Artikel vom 04.12.2012
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