Galerie 90: Jugendliche stellen zu brisanten Themen aus

Zentrum · Junge Sichtweise

Sozialpädagoge Milos Srdic hat die Jugendlichen betreut, die ab 18. Oktober ihre Werke in der Galerie 90 ausstellen.	Foto: scy

Sozialpädagoge Milos Srdic hat die Jugendlichen betreut, die ab 18. Oktober ihre Werke in der Galerie 90 ausstellen. Foto: scy

Zentrum · Und plötzlich hängt da einer mit dem Kopf nach unten, und seine Füße stecken in einem Basketballkorb. Aber nicht, um Blödsinn zu machen, weit davon entfernt. Der Jugendliche hat sich so fotografieren lassen, weil er eine Botschaft hat.

Die da lautet: »Betrachte die Sache mal ganz anders.« Das Foto ist sein Beitrag zu einer Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel, die ab Donnerstag, 18. Oktober, in der Galerie 90 an der Paul-Heyse-Straße 22 gezeigt wird. Aus dem alltäglichen Schubladendenken raus zu kommen, das ist dabei die Anregung, die insgesamt 50 Jugendliche mit ihren künstlerischen Projekten geben wollen. »Die Sichtweise der jungen Menschen ist überraschend, witzig, manchmal beklemmend und immer sehenswert«, so die Organisatorin Erika Hennig.

Es geht in der Ausstellung eben nicht um das, was man schon weiß. Die übliche Perspektive einfach mal vergessen. Und auch mal selbst hinhören, was man den ganzen Tag so von sich gibt. Beispielsweise: Warum nennen einige schwarze Menschen Farbige? Das versteht auch der schwarze Junge nicht, der sich vor einem bunten Graffiti fotografieren ließ. Darunter sein Zitat: »Warum ›Farbiger‹? Schau ich aus wie ein Malkasten? Ich bin schokobraun!« Mit Vorurteilen jeglicher Couleur haben auch andere Jugendliche zu kämpfen. »Wir haben mitbekommen, dass unsere Jugendlichen immer wieder mit offenem Rassismus und Nationalismus zu tun haben, da haben wir das Thema einfach aufgegriffen«, berichtet Milos Srdic, Sozialpädagoge und stellvertretender Leiter des Jugendtreffs Harthof. »Andererseits sind sie oft selbst mit Vorurteilen behaftet und begegnen anderen Jugendkulturen und Lebenswelten mit Missachtung.« Bei einem Projekt mit 50 Jugendlichen sei nach vielen Diskussionen und Gesprächen irgendwann die Frage aufgetaucht »Wie würdest du Rassismus, Nationalismus und Ausgrenzung fotografieren?« Und dann seien die Jugendlichen mit den Kameras losgezogen und haben nach Motiven gesucht, die zu den Äußerungen aus den vorangegangenen Diskussionen passen.

Um die Sache rund zu machen, wird nicht nur der Blickwinkel von Jugendlichen gezeigt, auch Kinder geben Einblick in ihre Sicht auf die Dinge. »Was mir schön und wichtig ist«, heißt eine weitere Ausstellung, die zeitgleich in der Galerie 90 startet. Hierfür waren Kinder mit und ohne Behinderung unterwegs und haben die Kameraobjektive auf das gerichtet, was für sie Bedeutung hat. Auf das, was ihr Herz berührt. Die Bilder entstanden während einer Winterfreizeit des Kreisjugendrings (KJR) am Walchensee im Januar. »Die Kinder hatten die Idee zur Fotoaktion«, erklärt KJR-Mitarbeiterin Nicole Endrichs, und schnell sei das Thema klar gewesen: »Wir wollen fotografieren, was für uns schön ist.« Beim Betrachten der Bilder wird schnell klar: Hinter jedem Ding, und sei es noch so unscheinbar, noch so vermeintlich belanglos, steckt ein Geheimnis, ein kleiner Zauber. »Kinderaugen überraschen uns immer wieder«, formuliert es Hennig. Und überraschend seien auch die unglaublichen Kräfte, die in vielen Kindern stecken würden.

Der inzwischen 18-jährige Lorenz Geier gehört zu denen, die über sich selbst hinaus gewachsen sind. Bereits seit seiner Geburt sitzt der spastisch gelähmte Jugendliche im Rollstuhl. Das hat ihn nicht daran gehindert, einfach drauf los zu malen und zu zeichnen. »Wir sind von seinen Werken und seiner Fähigkeit so beeindruckt, dass wir auch ihm Raum geben, um sich mit seinem Können zu zeigen«, berichtet Hennig. Die Zeichnungen von Lorenz Geier sind somit fast seine dritte eigene Ausstellung.

Seit 1990 gibt es die Galerie 90 in der KJR-Geschäftsstelle. Im ersten und im vierten Stock finden regelmäßig Ausstellungen statt, die Aspekte der offenen und verbandlichen Jugendarbeit sowie aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen. »Die Galerie 90 ist eine Galerie der besonderen Art. Denn hier werden nicht materiell wertvolle Kunstwerke gezeigt, sondern inhaltlich wertvolle«, sagt Hennig. Es gebe immer noch nicht genug Orte, an denen sich Kinder und Jugendliche Gehör verschaffen können. »Wir wollen ein Ort sein, der ihnen signalisiert: Wir interessieren uns für Dich und deine Sicht auf die Welt.« Vernissage für beide Ausstellungen ist am Donnerstag, 18. Oktober, um 17 Uhr. Die Ausstellungen sind bis zum Freitag, 11. Januar, zu sehen. Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr und Freitag von 9 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 16.10.2012
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