Albrecht Ackerland zum Münchner SamstagsBlatt über Fundsachen

München · Zum Thema: Online-Fundbüro

München · Es gibt einen Grund, warum ich mich schon ein bisserl darauf freue, wenn ich einmal ein künstliches Zahngebiss haben sollte: Ich werde es auf der Wiesn verlieren. Ich möchte die Geschichte unserer wunderbaren Stadt ein wenig mitprägen.

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Zur Geschichte Münchens, zu unserer Tradition gehört es wohl schon seit einigen Jahrzehnten, dass auf dem Oktoberfest jedes Jahr aufs Neue ein Gebiss gefunden wird. Die Festleitung wird nicht müde, sich Jahr um Jahr zu amüsieren, obwohl es doch mittlerweile als das Normalste der Welt scheint, dass sich immer einer findet, der seine Zähne nicht mehr findet. So die Geschichte: Da muss einer sein, der fest eingebettet in den Münchner Jahreslauf seine Trinkkraft über- und die Haftkraft der Dritten unterschätzt.

Ich habe da so meine Theorien dazu. Die eine Möglichkeit ist, dass tatsächlich immer der gleiche Mensch seit Jahren aufs Oktoberfest fährt, das ganze Jahr freut er sich darauf, obwohl er schon auch daran zu knabbern hat, denn so eine Zahnprothese kostet ein Heidengeld. Aber zur ganz persönlichen Tradition gehört es, wie von einer großen, unsichtbaren Macht gelenkt, dass er nach der fünften Maß Bier das Zelt verlässt, draußen ist es kühl geworden, aber zum Zähneklappern fehlt ihm Jahr um Jahr die Möglichkeit. Er merkt: Da fehlt doch was im Mund. Der Abend ist gelaufen, ihm fehlt nun der Biss, aber die fünf Maß Bier erledigen ihre Wirkung.

Meine andere zahnweiße Theorie: Es muss keine Geringere als unsere aus dem Amt geschiedene Wiesnchefin gewesen sein, die Weishäupl Gabi. Es entspräche ganz ihrem Sinn für die Magie der Wiesn und ihrem Humor, dass sie an einem lauen Frühlingsabend die Idee hatte: Ein Gebiss muss her. Also weg. Und dann wieder auftauchen. Im Fundbüro. Eine prima Pressemeldung, eine berichtenswerte Aufwertung für die armen Mitarbeiter im Fundbüro, die sonst nur Schlüssel sortieren dürfen. Aus einer bissigen Idee wurde Tradition – von der freilich keiner etwas wusste, außer Chefin Gabi selbst. So wird es in diesem Jahr spannend: Wird wieder ein Gebiss gefunden? Ist doch zum ersten Mal seit gefühlt Menschengedenken ein anderer zuständig für die Festleitung. Wird sich die Gabi erbarmen und eine High-Tech-Prothese spenden, obwohl ihr die offizielle Zuständigkeit fehlt? Auf die Antwort müssen wir noch vier Wochen warten. Vier Wochen, in denen noch viel passieren kann. Ich könnte ja theoretisch etwa stressbedingt alle Zähne verlieren, so wie andere aus seelischer Überlastung ihr Haar verlieren. Dann würde ich einspringen, das verspreche ich mit dem, was Zähne glänzen lässt: Lächeln.

Artikel vom 30.08.2012
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